Lasst euch nicht täuschen: Die Anti-Menschenrechts-Initiative verdient ein klares Nein

Die SVP hat letzte Woche einen Flyer für ihre «Selbstbestimmungsinitiative» in sämtliche Haushalte der Schweiz verteilt. Darin verwendet sie ein Zitat von mir, das ich im August dem SonntagsBlick gegeben hatte. Allerdings in komplett anderem Kontext – mir ging es um den Schutz von Löhnen und Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit den Flankierenden Massnahmen. Die SVP hat mich nicht um Erlaubnis gefragt, ob sie mein Zitat für ihre Werbung verwenden darf. Lasst mich darum eines klarstellen: Ich bin ohne Wenn und Aber gegen die Anti-Menschenrechts-Initiative der SVP.

Die Werbung zur «Selbstbestimmungsinitiative» kommt merkwürdig daher: Die SVP beschwichtigt, wiegelt ab und verschleiert, dass sie dahintersteht. Umso schockierender finde ich es, dass ein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat von mir darin zu finden ist.

Wenn man nämlich den Initiativtext korrekt interpretiert und sich nicht von den Nebelpetarden der SVP täuschen lässt, dann wird klar, dass bei einer Annahme schwere Konflikte drohen: Die Verlagerung des Transitverkehrs auf die Schiene (Alpeninitiative), die Umsetzung des Verfassungsartikels 121a, das Abkommen über die Personenfreizügigkeit – ja mithin die gesamten Bilateralen I stünden in Konflikt dazu. In Gefahr wäre auch unsere Zugehörigkeit zur Welthandelsorganisation WTO, weil damit zahlreiche Wirtschaftsabkommen verbunden sind. Auch rund 30 Freihandelsverträge mit 40 Partnerstaaten stünden zur Disposition.

Zudem dürften unsere Gerichte die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Strassburg (EGMR) nicht mehr anwenden. Den Schweizerinnen und Schweizern würde die Möglichkeit genommen, den EGMR als höchste Instanz anzurufen, um ihre Rechte zu schützen. Demokratie bedeutet immer auch die Verteidigung der Rechte der oder des Einzelnen und den Schutz von Minderheiten. Die Initiative richtet sich aber ganz klar gegen die Rechte jedes und jeder Einzelnen, sie ist zudem anti-europäisch, da sie unsere Beziehungen zur EU mutwillig beschädigen würde, und sie ist gegen die wirtschaftlichen Interessen des Exportlandes Schweiz.

Die Werbung der SVP ist irreführend und verlogen. Die «Selbstbestimmungsinitiative» stärkt weder die Demokratie noch die Souveränität der Schweiz. Es geht nicht um internationale Rechtsnormen, welche die Schweiz gegen ihren Willen hätte übernehmen müssen. Es geht um internationales Recht und internationale Regeln, die unsere Diplomatinnen und Diplomaten ausgehandelt haben, die unsere Regierung unterzeichnet, die unser Parlament ratifiziert und die unsere Bevölkerung per Referendum genehmigt hat. Dieser Prozess ist alles andere als undemokratisch, auch wenn man selbstverständlich immer über Verbesserungen nachdenken darf. Aber die Antwort der SVP zielt komplett in die falsche Richtung. 

Das internationale Recht nützt der Schweiz, und zwar aus zwei Gründen:

  • Erstens ist die Schweiz keine Grossmacht und hat alles Interesse daran, dass die Beziehungen zwischen den Staaten auf der Basis von Verträgen und mit gleichen Regeln für alle geregelt werden.
  • Zweitens leben wir in einer vernetzten Welt. Die moderne Welt ist zu komplex, als dass Staaten die Probleme, mit denen sie alle konfrontiert sind, alleine lösen können. Egal ob es um Migration, um die Klimaerwärmung, die globale Sicherheit oder den Kampf gegen den Terrorismus geht, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Und schliesslich sollten wir uns daran erinnern, dass das humanitäre Völkerrecht und das internationale Recht in der Schweiz «geboren» wurden. Es ist unser eigenes Recht und damit ein wesentlicher Teil der «Swissness», der schweizerischen Identität. Es wäre ein grober Fehler, das alles aufzugeben.

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