Das Scheitern der sogenannten «Ausgleichsinitiative» und der «Initiative für ein flexibles Rentenalter» sowie das Debakel der 11. AHV-Revision haben den Status quo zementiert, das heisst die Anhebung des Rentenalters für Frauen auf 64 Jahre, ohne dass grundlegende Fragen geklärt worden wären. Seit mehr als 15 Jahren wiederholt der Bundesrat in seinen Verlautbarungen sein Versprechen, eine flexible Rente zu schaffen, welche die wirtschaftliche Situation der Pensionierten berücksichtigt. In Tat und Wahrheit hat sich aber nicht viel bewegt.
Das Projekt «Altersvorsorge 2020» sieht eine Erhöhung des Rentenalters für Frauen auf 65 Jahre vor, womit 800 Millionen eingespart werden könnten. Angesichts dieser Ausgangslage, die einige als «normal» empfinden, ist es unbedingt nötig, sämtliche Situationen aufs Tapet zu bringen, in denen Frauen heute ungleich behandelt werden.
Erstens, die Flexibilisierung des Rentenalters ist gerade für Frauen zentral. Ihr Einkommen ist im Durchschnitt niedriger ist als jenes der Männer und auch sie sollen die Möglichkeit haben, sich vorzeitig pensionieren zu lassen. Die vorzeitige Pensionierung kann auf zwei Arten ermöglicht werden.
Einmal, indem das Prinzip der obligatorischen Beiträge in die zweite Säule ab dem 20. Altersjahr eingeführt wird (heute liegt diese Altersgrenze bei 25 Jahren). Damit bevorzugt man Lohnbezügerinnen,die früh in den Arbeitsmarkt eintreten(insbesondere solche mit EFZ).
Dann, indem man es Lohnbezügerinnen mit Niedriglöhnen oder solchen, die eine beschwerliche Tätigkeit ausüben, erlaubt, AHV und ihre 2. Säule ohne Leistungseinbussen beziehen zu können, bevor sie das 65. Altersjahr erreicht haben. Durch die Einführung einer Beitragsdauer von 40 Jahren, die zum Bezug einer vollen Rente berechtigt, kann dieses Ziel erfüllt werden.
Zweitens muss das Problem der Lohnungleichheit angegangen werden. Frauen verdienen im Schnitt 1800 Franken weniger pro Monat. Von diesen 1800 Franken sind 677 aufreine Diskriminierung zurückzuführen. Gewisse Arbeitgeber sparen jährlich bis zu 8 Milliarden auf dem Buckel der Frauen ein. Um gegen diese Ungerechtigkeit anzukämpfen, wurde schon alles versucht: parlamentarische Vorstösse, «Lohngleichheitsdialog», und jedes Jahr mit schöner Regelmässigkeit Untersuchungsberichte und Aktionen. Bislang vergeblich.
Heute ist es dank der AHV möglich, einen Mechanismus einzuführen, der die Entwicklung des Frauenrentenalters an die Fortschritte bei der Lohngleichheit auf dem Arbeitsmarkt koppelt. Konkret: Wenn sich die Lohnangleichung um 1 Prozent verbessert, kann das Rentenalter um einen oder zwei zusätzliche Monate angehoben werden. Auf der anderen Seite würde das Rentenalter um vier Monate sinken, wenn sich die Lohnangleichung um einen Viertel verschlechterte. Es wäre in diesem Zusammenhang auch wichtig, Massnahmen einzuführen, die das Aufgabengebiet der tripartiten Kommissionen für die Überwachung der Lohngleichheit erweitern oder die Selbstkontrollen in den Unternehmen für obligatorisch erklären würden.
Drittens, der Ausgleich zwischen Berufs- und Familienleben muss erreicht werden, indem dem Prinzip «ein Kind = ein Krippenplatz» und einem bezahlten und von der Altersvorsorge anerkannten Elternurlaub zum Durchbruch verholfen wird. Andernfalls wären es jene Frauen, die wieder in den Arbeitsmarkt eintreten oder ihren Anstellungsgrad erhöhen möchten, die bestraft würden, und zwar nicht nur in Bezug auf den Lohn, sondern auch in Bezug auf ihre künftige Rente.
Diese Realitäten kann man nicht einfach in den Wind schlagen, wenn über das Rentenalter der Frauen diskutiert wird. Die Wirtschafts- und Sozialpolitik würde gestärkt aus der Übung hervorgehen, wenn sie überzeugende Garantien zu den tatsächlichen Herausforderungen der Gleichstellung abgeben würde. Das ist der Preis, der bezahlt werden muss, damit eine erneute Erhöhung des Frauenrentenalters gerecht ausfällt.