Männer sind keine Idioten, Frauen keine Rätsel

Vor einigen Monaten dominierte ein Thema die Schweizer Presse: Sexistische Übergriffe. Zahlreiche Frauen, auch prominente, haben sich zu Wort gemeldet und ihre Erfahrungen publik gemacht. Aus meiner Sicht war eine solche Aktion schon längst fällig, denn Sexismus ist ein Problem, das in der heutigen Zeit überwunden sein sollte.

Offenbar haben wir das Problem tatsächlich noch nicht überwunden: entsprechende Veröffentlichungen führen immer noch zu ausschweifenden gesellschaftspolitischen Diskussionen. Warum werden in unserem System sexistische Übergriffe, Aussagen und Logiken nach wie vor toleriert? Warum ist dieser strukturelle Sexismus noch nicht überwunden? Und was können wir dagegen tun? Wir sollten uns Gedanken machen, welche Rolle die Emanzipation der Männer oder die Reaktionen der Frauen auf sexistische Übergriffe spielen. Aber stattdessen stürzen sich die Journalistinnen und Journalisten auf reisserische Stories, ganz nach dem Motto «sex sells».

Männer sind keine Idioten, Frauen keine Rätsel

Wo liegt die Grenze zwischen Sexismus und Flirt? Ich bin der Meinung, wer diese Frage stellt, war noch nie mit Sexismus konfrontiert. Denn wer sexistisch belästigt wird, fühlt sich schlecht, abgewertet und auf das Geschlecht reduziert. Bei einem Flirt hingegen fühlt man sich geschmeichelt, bestärkt und attraktiv. Wer interessiert ist, sollte in der Lage sein zu spüren, ob sein Gegenüber sich wohl oder bedrängt fühlt. Gegenseitiger Respekt ist eine Grundvoraussetzung für ein würdiges Miteinander.
Ein «Nein» muss bedingungslos als «Nein» akzeptiert werden. Denn diese Botschaft ist unmissverständlich und eindeutig und gehört respektiert. Leider ist sie noch nicht bei allen Männern angekommen. Der Mythos, dass Frauen etwas Anderes sagen, als sie meinen, hält sich immer noch hartnäckig. Aber Frauen sind durchaus in der Lage zu sagen, was sie meinen, und selbst zu entscheiden, was sie wollen!
Es sollen auch nicht alle Männer in einen Topf geworfen werden. Die meisten respektieren Frauen und nehmen sie selbstverständlich als vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft wahr. Aber diejenigen, die diesen Schritt noch nicht gegangen sind, für diese wird es Zeit, sich weiterzuentwickeln. Hören wir auf mit Stereotypen und konzentrieren uns auch bei Sexismus auf gegenseitigen Respekt und aktives Zuhören. Denn das Thema ist brisant und darf nicht verharmlost werden.

Weil ein Aufschrei nicht reicht

Mit einer nationalen Kampagne könnten Opfer auf ihre Rechte hingewiesen und die Gesellschaft für das Thema sensibilisiert werden. Vielleicht könnten wir sogar beim Täter ein Unrechtsbewusstsein oder gar Einsicht wecken. Deshalb habe ich vor einigen Monaten den Bundesrat angefragt (Anfrage Nr. 16.1043), ob er sich vorstellen kann eine Präventionskampagne «Nein heisst Nein» zu lancieren. Die Antwort erreichte mich Anfang Dezember. Der Bundesrat anerkennt die Notwendigkeit des Themas, verweist aber auf die kantonalen Zuständigkeiten und die hohen Kosten, die eine solche Kampagne generieren würde (laut Bundesrat «erfahrungsgemäss jährlich rund 2 Millionen Franken»). Auch müsse geprüft werden, «ob eine nationale Sensibilisierungskampagne ein geeignetes Instrument darstellt, um das Verhalten der Täter wesentlich zu beeinflussen und die Opfer besser auf ihre Rechte aufmerksam zu machen.»
Obwohl mir die Argumentation einleuchtet, finde ich es schade und unverständlich, dass der Bundesrat hier keinen Handlungsbedarf sieht. Weshalb ist Sexismus kein prioritäres Thema? Andere Kampagnen wurden auch auf nationaler Ebene gestartet, warum wagt man hier keinen Versuch? Warum verweist der Bund auf die Kantone und bezweifelt die Wirksamkeit einer solchen Kampagne?
Schade, dass der Bund hier kein starkes Zeichen setzen will. Auf meiner Sicht wäre eine nationale Herangehensweise sinnvoller als einzelne kantonale Aktionen. Trotzdem finde ich den Schluss der Antwort versöhnlich und löblich: Sie endet mit dem Hinweis, dass das Begehren an die Leitungskommission der Schweizerischen Kriminalprävention (SKP), der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren, weitergeleitet wird.
Auch ich werde weiter an diesem Thema bleiben und hoffe, dass die SKP mehr Engagement zeigt!

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