Mehr desselben, auch wenn das Heilmittel nicht gewirkt hat

Avenir Suisse hat letzte Woche Vorschläge für eine «gesunde Spitalpolitik» publiziert. Es lohnt sich, diese kritisch zu betrachten.

Schon die grundsätzliche Herangehensweise, sich nur auf die Spitalkosten zu konzentrieren, ist problematisch. Anliegen und Ziel muss sein, die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung über die ganze Behandlungskette sicherzustellen. Im Vordergrund sollte stehen, die Behandlung so anzubieten, dass sie den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten, sowie den Qualitätsanforderungen aus medizinischer Sicht entspricht. Dass schon seit längerer Zeit ein Trend zur Ambulantisierung besteht, ist medizinisch in vielen Fällen indiziert und von den Patientinnen und Patienten gewünscht, führt aber zu einer Umverteilung zu Lasten der immer stärker steigenden Krankenkassenprämien. Es scheint aber etwas einfacher zu sein, die Lösung für die steigenden Kosten im Gesundheitswesen dort zu suchen, wo die Politik mit der neuen Spitalfinanzierung bereits stark eingegriffen hat. Ganz nach Paul Watzlawik, der das in seinem Buch «Anleitung zum Unglücklichsein»  unter dem Begriff «mehr desselben»  so beschreibt: Ein Betrunkener sucht unter einer Straßenlaterne seinen Schlüssel. Ein Polizist hilft ihm bei der Suche. Als der Polizist nach langem Suchen wissen will, ob der Mann sicher sei, den Schlüssel hier verloren zu haben, antwortet jener: «Nein, nicht hier, sondern dort hinten – aber dort ist es viel zu finster.» Nun aber suchen wir dort, wo das Licht ist: bei den Spitalkosten.

Avenir Suisse schlägt eine Reihe von Massnahmen vor, die einen positiven Effekt auf die Spitalkosten haben soll. Das Avenir Suisse-Rezept lautet: Mehr Wettbewerb. Der Wettbewerb werde, davon gehen die Autoren aus, die Kosten positiv beeinflussen. In den Augen der Autoren habe die Neue Spitalfinanzierung nur deshalb noch nicht zu einer stärkeren Dämpfung der Kosten geführt, weil der Wettbewerb zu wenig spiele.

Als erstes Heilmittel schlägt nun Avenir Suisse vor, die gemeinwirtschaftlichen Leistungen (GWL) auszuschreiben, so dass sich verschiedene Leistungserbringer dafür bewerben können. Das hätte für die Spitäler, welche jetzt im Auftrag der Kantone die gemeinwirtschaftlichen Leistungen anbieten, zur Folge, dass sie alle paar Jahre (je nach Rhythmus der Ausschreibung) das Risiko eingehen, dass die getätigten Investitionen (z.B. für die Notfallstationen in abgelegenen Gebieten) abgeschrieben werden müssen, weil das Spital den Zuschlag nicht mehr erhält. Die ausschreibenden Kantone dürften sich also auf eine Erhöhung der Kosten gefasst machen. Unvorstellbar auch die Idee, dass Forschung und Lehre, deren Kosten im Übrigen nicht mit der klinischen Dienstleistung vermengt werden dürfen, aufgrund einer GWL-Ausschreibung mal hier, mal dort angeboten würden. Wie auf diesem Weg die Qualität sichergestellt werden soll, ist ein Rätsel. Hingegen ist die Forderung nach Transparenz bei den GWL zu begrüssen.

Problematisch ist zweitens auch der Versuch, mit neuen Versicherungsmodellen den Wettbewerb unter den Spitälern anzuheizen, indem man die Patientinnen und Patienten in Form von Gutschriften daran teilhaben lässt, wenn sie das kostengünstigere Spital für ihre Behandlung wählen. Gerade das in der Publikation aufgeführte Beispiel einer Strahlentherapie zeigt, wie schwierig das für betroffene Patientinnen und Patienten wäre. Aufgrund von welchen Indikatoren sollen sie entscheiden können, dass die Strahlentherapie im Spital X mindestens gleich gut ist, wie die im Spital Z? Die Patientinnen und Patienten werden sich auf ihre Ärztinnen und Ärzte verlassen, wie das schon heute der Fall ist. Und gerade wenn es um komplexe gesundheitliche Situationen und anspruchsvolle Therapien geht, werden die Betroffenen bei ihrem Entscheid für die Wahl des Spitals wohl nicht die Kosten in den Vordergrund stellen.

In der Analyse hat Avenir Suisse in einem Punkt nicht unrecht: Die Tatsache, dass die Gesundheitsversorgung Sache der Kantone und deshalb sehr fragmentiert ist, macht es praktisch unmöglich, weiträumig und über die Kantonsgrenzen hinaus zu denken. Diesem Problem jedoch mit der Aufhebung der kantonalen Spitallisten zu begegnen und damit den Wettbewerb unter den Spitälern noch stärker anzuheizen, würde zu einem massiven Kostendruck führen. Da im Gesundheitswesen grundsätzlich und in den Spitälern besonders ein beträchtlicher Teil der Ausgaben die Personalkosten sind, führt stärkerer Druck immer auch zu mehr Druck auf das Personal. Kommt hinzu, dass es die in der Publikation erwähnten Qualitätskriterien, die es den Patientinnen und Patienten ermöglichen soll, das kostengünstigste und gleichzeitig beste Spital zu wählen, schlicht noch nicht gibt.

Es ist und bleibt eine riesige Herausforderung an die Politik und alle Player im Gesundheitswesen, Massnahmen zur Kostendämpfung zu finden, die wirklich tauglich sind und nicht die hohe Qualität der Gesundheitsversorgung in Frage stellen. Einfache Rezepte gibt es dafür leider nicht.

von Silvia Schenker, Nationalrätin BS, Verwaltungsrätin Universitätsspital Basel

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