#MeToo, Frauenrechte und wie sich die Schweiz zur Gleichstellung stellt

Medienmitteilung der NGO-Koordination post Beijing Schweiz, vom 30. 1. 2019

Die Schweiz beantwortete auf Jahresende hin die aus Sicht der UNO dringendsten Fragen in Bezug auf die Situation der Frauen*in der Schweiz. Empfohlen wurde eine nationale Gleichstellungsstrategie und eine Stärkung der Gleichstellungsinstitutionen, ein nationaler Aktionsplan zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und eine Studie über Rentensystem und Altersarmut.

Der Zwischenbericht der Schweiz mag gewisse positive Zeichen setzen, ist aber alles andere als mutig und zukunftsweisend: Arbeitsgruppen, Roadmap und Kantönligeist obsiegen. Der Ausschuss der UNO-Frauenrechtskonvention CEDAW empfiehlt der Schweiz, was zivilgesellschaftliche Organisationen schon seit vielen Jahren fordern: Die Entwicklung einer nationalen Gleichstellungsstrategie und eines Aktionsplans. Während begrüsst wird, dass der Bund die Umsetzung der Konvention systematischer und strategischer angeht, sind wir über die Ablehnung dieser Forderung enttäuscht. Sie wird als «nicht zielführend» erachtet und somit wird «das Anliegen der Gleichstellung im Rahmen bestehender strategischer Planungsinstrumente von Regierung und Verwaltung» verfolgt. Eine mutlose Entscheidung, die trotz Roadmap und interdepartementaler Arbeitsgruppe die Gleichstellung in der Schweiz nicht genug vorantreiben wird!

Ressourcen für Fachstellen werden gekürzt und ihre Legitimität in Frage gestellt

Damit die Umsetzung der Konvention gewährleistet werden kann, müssen Gleichstellungsinstitutionen gestärkt werden. Jedoch geschieht genau das Gegenteil: Ressourcen für kantonale und kommunale Fachstellen werden gekürzt, Gleichstellungsinstitutionen aufgelöst oder ihre Legitimität vermehrt in Frage gestellt. Das Eidgenössische Büro für Gleichstellung stellt fest, dass der finanzielle Druck gestiegen ist. Gleichzeitig liegt die Entscheidungs- und Finanzhoheit grösstenteils bei den Kantonen und Gemeinden. In Zeiten rechtsbürgerlicher Mehrheiten fällt dieser Umstand zuungunsten der Gleichstellung der Geschlechter aus. So lange die Kantonsregierungen die Geschlechtergleichstellung nicht zu einer ihrer Kernaufgaben erklären wird sich wenig bewegen. «Wir hoffen, dass uns das Ergebnis der Wahlen dieses Jahr die Arbeit für die Gleichstellung in der Schweiz in Zukunft leichter machen wird», so die Geschäftsführerin der NGO-Koordination post Beijing Schweiz, dem Zusammenschluss von rund 30 Frauenrechts*organisationen und gemischten Gruppierungen.

Nationaler Aktionsplan gegen Gewalt macht das Unsichtbare sichtbar

Dank der Inkraftsetzung der Istanbul-Konvention 2018 ist in der Schweiz Schwung in die Bekämpfung von häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen* gekommen. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen begrüssen die interdepartementale Arbeitsgruppe unter der Leitung des EBGs auf Bundesebene, wie auch die Bestrebungen, die Umsetzung in den Kantonen zu koordinieren. Der vom CEDAW-Ausschuss empfohlene und lange geforderte Nationale Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen wird hingegen nicht umgesetzt. Nationale Aktionspläne machen unsichtbares sichtbar und öffnen Räume um Probleme anzugehen. Daher wird diese Haltung von Seiten Zivilgesellschaft äusserst bedauert. Der Handlungsbedarf liegt auf der Hand. Expert*innen fordern daher den systematischen Einbezug in die Ausarbeitung der Umsetzung beider Konventionen. Die vom Bund vorgeschlagene unverbindliche Formulierung, dass NGOs angehört werden können ist nicht akzeptabel und steht einer umfassenden und diskriminierungsfreien Umsetzung der Konventionen entgegen.

Studie zu Rentensystem und Altersarmut

Bedauerlicherweise scheint die vom CEDAW-Ausschuss verlangte Studie zu den Auswirkungen des Rentensystems auf einkommensschwache geschiedene Ehepaare insbesondere im Hinblick auf die Gefahr der Altersarmut noch zu fehlen. Auch wenn die verbesserte Aufteilung der beruflichen Vorsorge im Falle einer Scheidung sicher mehr Gerechtigkeit bringt und somit zu begrüssen ist, darf nicht vergessen werden, dass Frauen 40% weniger Altersrente als Männer beziehen und somit fast doppelt so oft auf Ergänzungsleistungen angewiesen sind. Es ist wichtig, dass die AHV gestärkt und die AHV-Renten erhöht werden, um dem Verfassungsauftrag der Existenzdeckung gerecht zu werden, und Diskriminierungen in der zweiten Säule behoben werden.

Die NGO-Koordination post Beijing fordert die Schweiz auf, mit Mut und Ressourcen ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen* und für Gleichstellung zu setzen und die Prioritäten dahin zu verschieben, dass #MeToo in der Schweiz in Zukunft nicht mehr gesagt werden muss.

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