«Zum ersten Mal haben so viele Einzelpersonen an der Vernehmlassung eines Gesetzesentwurfes teilgenommen», freut sich Tamara Funiciello, Nationalrätin und Co-Präsidentin der SP Frauen*. «Es ist uns ein grosses Anliegen, dass die Forderungen der feministischen Bewegung und der Betroffenen von sexualisierter Gewalt in der Vernehmlassung gehört werden. Schliesslich geht es dabei um nichts weniger als unsere körperliche Integrität und unsere sexuelle Selbstbestimmung.»
Der Gesetzesentwurf ist leider ambitionslos und ungenügend. Heute gilt einzig ungewolltes vaginales Eindringen bei einer «Person weiblichen Geschlechts» als Vergewaltigung und nur, wenn sie etwa durch physische Gewalt oder Drohung dazu gezwungen wurde. Neu soll ein weniger gravierender Auffangtatbestand sexuelle Übergriffe unter Strafe stellen, wenn das Opfer zwar nicht gezwungen wurde, aber «Nein» gesagt hat. Vergewaltigung soll derweil noch immer über Zwang definiert werden. Zudem bleibt unsicher, ob Personen unabhängig von Körper und Geschlecht als Opfer von Vergewaltigung anerkannt werden können.
«Der Auffangtatbestand ist eine Alibi-Lösung», sagt Martine Docourt, Co-Präsidentin der SP Frauen*. «Solange Vergewaltigung über Zwang definiert bleibt, wird den Opfern vermittelt, dass sie den Übergriff mit Widerstand hätten verhindern können – sie werden für die Tat mitverantwortlich gemacht. Diese Täter-Opfer-Umkehr muss endlich enden. Zudem geht die beim Auffangtatbestand vorgeschlagene ‚Nein heisst Nein‘-Lösung viel zu wenig weit.»
Nur die Neudefinition von Vergewaltigung nach dem Grundsatz «Nur Ja heisst Ja» kann sexuelle Selbstbestimmung effektiv schützen. «Es ist doch selbstverständlich, dass wir nur Sex haben, wenn alle beteiligten Personen das auch wollen», sagt Tamara Funiciello. «Die Wohnung anderer Personen betreten wir auch nur, wenn wir eingeladen werden. Und wir verlassen sie wieder, wenn wir dazu aufgefordert werden. Warum soll dieses einfache Prinzip ausgerechnet dann nicht gelten, wenn es um Sex geht – die intimste Sache überhaupt?»
Die 11‘710 Stellungnahmen zur Vernehmlassung sind ein deutliches Zeichen. «Die feministische Bewegung ist wütend über den mutlosen Gesetzesentwurf», sagt Martine Docourt. «Die SP Frauen* werden den Gesetzgebungsprozess darum weiterhin genau beobachten und so lange intervenieren bis das Sexualstrafrecht nicht mehr das Patriarchat, sondern die sexuelle Selbstbestimmung schützt.»
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