OECD-Mindeststeuer: Warum ein Nein?

Die Sache erscheint im ersten Moment knifflig: Am 18. Juni 2023 stimmen wir über die sogenannte OECD-Mindeststeuer ab. Sie ist eine wunderbare Sache, weil diese Konzern-Steuer erstmals global ein wenig Gerechtigkeit schafft. Trotzdem sollten wir der Parole der SP Schweiz folgen und ein Nein einwerfen. Denn die bürgerliche Mehrheit will die Zusatzeinnahmen den Konzernen indirekt wieder zurückerstatten. Das können wir mit einem Nein verhindern – und zwar risikolos, weil wir diesmal «Figgi und Müli» haben. Doch der Reihe nach …

Von Walter Langenegger

Eine gute Steuer!

Nach 40 Jahren neoliberaler Wirtschaftspolitik ist die OECD-Mindeststeuer ein erster Hoffnungsschimmer. Bisher erpressten die Multis die Nationen und deren Völker, indem sie dort ihre Steuern zahlen konnten, wo die Tarife am tiefsten waren und nicht dort, wo sie ihr Geld verdienen. Damit begann ein «Race to the bottom», bei dem die Konzerne immer reicher und viele Staaten finanziell ausgehungert wurden. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schiebt dem nun einen Riegel: Alle weltweit tätigen Konzerne mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro müssen ab 2024 mindestens 15 Prozent Steuern zahlen, unabhängig von ihrem Standort-Staat.

Keine Wahl

Die neue Regel trifft das Schweizer Geschäftsmodell mit seinem Steuerdumping-System empfindlich. Punkto Global-Player herrscht bei uns nämlich Dichtestress. Heute profitieren 200 bis 300 Multis sowie rund 2000 Ableger von ausländischen Konzernen davon, dass sie hierzulande weniger als 15 Prozent Steuern entrichten.

Trotzdem macht die Schweiz bei der OECD-Mindeststeuer brav mit. Dies freilich nicht aus Solidarität, sondern weil sie keine Wahl hat. Denn, und das ist der Punkt: Verweigert sich unser Land der neuen Steuer, hat das Ausland das Recht, in der Schweiz ansässige Konzerne über eine Zweigniederlassung zu besteuern und auf diesem Weg auf unser Steuersubstrat zuzugreifen. Eine ungemütliche Ausgangslage.

Bürgerliche Schlaumeierei

Darum griff die bürgerliche Mehrheit zu einer Schlaumeierei. Sie setzte im Parlament durch, dass 75 Prozent der geschätzten Steuereinnahmen von 1,5 bis 2,5 Milliarden Franken den Kantonen zugutekommen und der Bundesanteil von 25 Prozent für Massnahmen zu Standortförderung verwendet werden muss. Worauf dies hinaufläuft, liegt auf der Hand: Um ihren Steuer- und Standortvorteil zu verteidigen, werden die betroffenen Tiefsteuerkantone wie Zug und Baselstadt mit den Zusatzeinnahmen und unterstützt durch den Bund versuchen, neue Steuersenkungsrunden für Unternehmen und Aktionäre durchzusetzen sowie Dienstleistungs- und Infrastrukturkosten für die Konzerne zu übernehmen.

Anders gesagt: Was mit der neuen OECD-Mindeststeuer einkassiert würde, ginge über Umwege gleich wieder zurück an die Multis. Und die Bevölkerung guckte in die Röhre: kein Geld für Kitas, keine Prämienverbilligungen, kein Teuerungsausgleich für AHV-Renten. Kurzum: Ein schlechter Witz!

Ein Nein bringt Fairness

Darum braucht es ein Nein an der Urne. Mit der Ablehnung des neuen Verfassungspassus‘ kann erstens ein weiteres Anheizen des interkantonalen Steuerwettbewerbs verhindert werden. Es kann zweitens dafür gesorgt werden, dass Bundesrat und Parlament eine Mittelverteilung beschliessen, welche die Kaufkraft der breiten Bevölkerung stärkt. Und drittens würde die Bevölkerung damit zum Ausdruck bringen, dass Standortattraktivität durch Investitionen in Lebensqualität, soziale Sicherheit und Infrastruktur entsteht, nicht durch Steuersubventionen.

«Figgi und Müli»

Das alles ist durchsetzbar, ohne dass das Nein Risiken birgt. Denn Tatsache ist: Die OECD-Mindeststeuer kommt so oder so und ohne, dass ein einziger Steuerfranken verloren geht. Der Grund: Bei einem Nein werden sich Bundesrat und bürgerliches Parlament wie von der Tarantel gestochen beeilen, bis im Herbst eine neue Vorlage mit einer fairen Verteilung der Einnahmen vorzulegen. Alles andere hiesse nämlich, ab 2024 zuzulassen, dass fremde Staaten die hier ansässigen Konzerne besteuern. Und das scheut die bürgerliche Mehrheit wie der Teufel das Weihwasser.

Technisch ist die Neuauflage ohnehin kein Problem: Wenn unsere Regierung fähig ist, innert 72 Stunden eine Grossbank zu retten, dann schafft sie es locker, innert 72 Stunden auch ein neues Modell für die Mittelverteilung auszuarbeiten und dem Volk rechtzeitig vor Inkrafttreten der OECD-Mindeststeuer zur Abstimmung vorzulegen.

Darum: Die Bevölkerung hat diesmal «Figgi und Müli». Es wäre jammerschade, sich diese Gelegenheit für eine soziale Korrektur entgehen zu lassen.

***

Zahlen und Fakten zur OECD-Mindeststeuer

  • Weltweit haben sich die Steuersätze für Konzerne seit 1980 im Durchschnitt von rund 50 Prozent auf etwa 22 Prozent mehr als halbiert. Eine ähnliche Entwicklung hat auch in der Schweiz stattgefunden: Der Tarifsatz für Unternehmen sank im gleichen Zeitraum massiv, und zwar sowohl auf Bundes- und Kantonsebene und erst recht in den Tiefsteuerkantonen. In Zug und Schwyz beispielsweise liegen die Steuersätze für Unternehmen derzeit bei 12,3 bzw. 11,6 Prozent.
  • Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) rechnet damit, dass die Mindeststeuer für multinationale Unternehmen insgesamt mehr als 150 Milliarden US-Dollar pro Jahr einbringen wird.
  • Mit der OECD-Mindeststeuer sehen sich nebst der Schweiz auch andere Staaten gezwungen, eine Ergänzungssteuer einzuführen, um kein Steuersubstrat zu verlieren. Dazu gehören Irland, Ungarn, Zypern oder Litauen, aber auch US-Bundesstaaten wie Delaware und Nevada sowie Offshore-Staaten wie die Kaimaninseln. 
  • Laut einem Bericht von Bloomberg Ende 2021 sind folgende Konzerne von der OECD-Steuer am stärksten betroffen: Apple, Microsoft, Alphabet (Google), Amazon, Facebook, JPMorgan Chase, Berkshire Hathaway, Johnson & Johnson, Procter & Gamble und Visa.

***

Als Quellen für diesen Text, der im März 2023 zuerst auf dem Blog von Walter Langenegger erschienen ist, dienten Unterlagen der SP Schweiz, die Webseite des Eidg. Finanzdepartements zur OECD-Steuer und die KI-Plattform «ChatGPT».

Ansprechpartner:innen zu diesem Thema

Beitrag teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Animation laden...Animation laden...Animation laden...

Newsfeed

Du hast Fragen zur Mitgliedschaft oder dem Mitgliedschaftsformular? Wir helfen gerne.

Häufige Fragen

Am einfachsten, indem Du online das Beitrittsformular nebenan ausfüllst.

Du kannst selbst entscheiden, welches Engagement für Dich am besten passt.

  • Wenn Du wenig Zeit hast, ist es absolut in Ordnung, wenn Dein Engagement sich vor allem darauf beschränkt, Deinen Mitgliederbeitrag zu bezahlen. Auch das hilft uns sehr, um die Schweiz und die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
  • Die Sektion, bei welcher Du Mitglied bist, wird Dich eventuell hin und wieder anfragen, ob Du Zeit hättest, bei einer Standaktion, einer Unterschriftensammlung oder einer Telefonaktion mitzumachen. Falls Dir das zusagt, sind wir sehr froh darüber – aber es ist natürlich völlig freiwillig.
  • Die meisten Sektionen führen regelmässig Mitgliederversammlungen durch, um die aktuellsten politischen Themen und Aktivitäten zu besprechen. Die Teilnahme daran ist natürlich ebenfalls völlig freiwillig. Aber es kann ein guter Ort sein, um neue Leute kennenzulernen.
  • Falls Dich ein Themengebiet besonders bewegt, kannst Du Dich in einer Themenkommission der SP Schweiz oder Deiner Kantonalpartei engagieren, oder in einer der Unterorganisationen wie den SP Frauen, den SP Migrant:innen, der SP 60+ oder der SP queer.
  • Häufig gibt es auch die Möglichkeit, ein partei-internes Amt, z.B. im Vorstand Deiner Sektion zu übernehmen.
  • Falls Du das möchtest, kannst Du mit Deiner Sektion auch Kontakt aufnehmen, um über eine Kandidatur für eine öffentliches Amt zu sprechen, z.B. in der Schulpflege Deines Wohnortes.

Um unsere Werte verteidigen zu können, braucht es finanzielle Mittel. Die SP ist eine Mitgliederpartei und schöpft ihre Stärke aus dem Engagement ihrer Mitglieder.
Die Mitgliederbeiträge werden von den Kantonalparteien und den Sektionen unterschiedlich festgelegt und sind abhängig von Deinem steuerbaren Einkommen. Wir folgen unseren eigenen politischen Forderungen: Wer wenig verdient, bezahlt wenig, und wer viel verdient, beteiligt sich mehr an den Kosten von Partei und Politik.
In der Regel fallen jährlich je nach Einkommen Kosten zwischen circa 80 und einigen Hundert Franken an. Die Mitgliederbeiträge werden jährlich erhoben.

Ja, selbstverständlich! Du kannst der SP beitreten, ohne den Schweizer Pass zu haben. Denn alle Menschen, die in der Schweiz leben, sollen in der Politik mitdiskutieren können.

Du hast verschiedene Möglichkeiten, Dich einzubringen. Wenn Du an Deinem Wohnort aktiv werden möchtest, wendest Du Dich am besten an die Sektion Deiner Gemeinde oder Deines Quartiers. Diese ist auch die richtige Anlaufstelle für den Einsatz in einem öffentlichen Amt (Gemeinderat, Schulpflege, Sozialbehörde…).
Du kannst Dein Wissen und Können auch innerhalb der Partei einbringen. Die SP sucht immer Leute, die sich in der Parteiorganisation engagieren (Gemeinde, Bezirk, Kanton, Themenkommissionen).

Melde Dein Interesse bei den Verantwortlichen Deiner Ortssektion an. Die Sektion nominiert SP-Kandidierende für öffentliche Ämter, sei dies für den Gemeinderat oder die lokalen Schul-, Sozial- oder Finanzbehörden. Die Ortssektion bildet oft auch für Ämter auf übergeordneter Ebene (Kantons- oder Grossrat) den Ausgangspunkt des parteiinternen Nominationsprozesses.

Abgesehen von der Zahlung des jährlichen Mitgliederbeitrags gehst Du keine Verpflichtungen ein. Voraussetzung für den Beitritt ist eine inhaltliche Nähe. Dies bedingt jedoch nicht, dass Du in allen Fragen mit der SP gleicher Meinung sein musst.

Die Statuten der SP Schweiz verbieten die gleichzeitige Mitgliedschaft in mehreren Schweizer Parteien.
Doppelbürger:innen können Mitglied der SP Schweiz und Mitglied einer ausländischen Schwesterpartei sein, beispielsweise der deutschen SPD oder des italienischen Partito Democratico. Die Mitgliedschaft bei der SP Schweiz ist für Angehörige von Schwesterparteien gratis, sofern sie belegen können, dass sie in ihrem Heimatland Mitgliederbeiträge an eine Sozialdemokratische Partei entrichten.

Ja. Auch im Ausland kannst du dich als Mitglied der SP Schweiz in die Politik einbringen. Wenn Du Deinen Wohnsitz im Ausland hast, wirst du automatisch Mitglied der SP International.

Für JUSO-Mitglieder besteht bis zum Alter von 26 Jahren die Möglichkeit einer kostenlosen SP-Mitgliedschaft. Ein entsprechender Antrag kann per Mail an [email protected] gestellt werden.

Das bietet Dir die SP

Was Du von der SP erwarten darfst.

Du bist nah dran an der Politik: Wir schicken Dir unsere Aufrufe, Newsletter sowie sechs Mal jährlich unser Mitgliedermagazin “links”. Du kannst Dich mit Gleichgesinnten vernetzen.

Du kannst von andern lernen und Dich mit Deinem Wissen und Können auf verschiedenen Ebenen in der Partei einbringen.
Gemeinsam schaffen wir eine bessere Zukunft!

Keine Demokratie ohne Bildung. Wir bieten Dir Webinare und Seminare zu Hintergrundwissen und aktuellen politischen Themen.