Politik ist scheinbar einfach geworden, heutzutage: Man lässt einfach ab und zu einen Tweet fahren.
Nein. Natürlich ist es nicht so einfach, wie es uns die Vereinfacher vormachen. Leider gibt es selten einfache Rezepte für schwierige Probleme. Drei Beispiele belegen dies:
- Der Krieg in Syrien.
- Der Welthandel, der in seiner heutigen Form viele Opfer schafft.
- Die Migration, die so viele entwurzelt und verängstigt.
Die Unsicherheit und die Verunsicherung sind gross – auch in der vergleichsweise reichen Schweiz:
- Arbeitslose über 50 haben grösste Mühe eine Stelle zu finden.
- Die Jungen sind unsicher, ob sie im Alter eine Rente haben werden, mit der sie anständig leben können.
- Zukunftsängste plagen uns alle: in einer erschreckend visionslosen Zeit, bedroht von Klimawandel, wirtschaftlichen Abstiegsängsten und Kriegen an vielen Rändern Europas, aber auch in der weiten Welt
Die Verunsicherung sucht sich ihre Sündenböcke: Die Ausländer; die Digitalisierung; die EU; den Welthandel.
Ausschluss, Rassismus und der Rückzug auf die Nation sind jedoch keine Lösungen für die Zukunft. Es sind Rezepte aus der Vergangenheit für eine Welt, in der jede und jeder nur für sich schaut.
Wir stehen vor grossen Fragen. Zum Beispiel in der Arbeitswelt: Die erste und die zweite industrielle Revolution haben aus Bauern Industriearbeiter gemacht. Die dritte industrielle Revolution hat aus Industriearbeitern Büroangestellte gemacht. Heute fragen wir uns: Was macht die vierte Revolution mit uns? Wenn Maschinen und Prozesse sich gegenseitig informieren und steuern, befreien sie uns dann von öden, repetitiven Arbeiten? Machen sie unsere Wirtschaft produktiver? Wer profitiert davon? Wird die Ungleichheit weiter zunehmen? Ist der gesellschaftliche Zusammenhalt gefährdet?
Wir wissen es nicht. Wir kennen aber – oder erahnen zumindest – die Verliererinnen und Verlierer der Digitalisierung:
- Ältere, die den Anschluss nicht mehr schaffen;
- Junge, die die gestiegenen Anforderungen im Arbeitsmarkt jetzt schon nicht mehr erfüllen können – trotz Förderung;
- alle mit geringer Bildung.
Für all diese Menschen sind ein einfacher Zugang zu Bildung und Weiterbildung zentral. Das allein reicht aber nicht. Es braucht ein starkes soziales Netz. Wir müssen hartnäckig die immer gleichen Fragen stellen.
- Wie sichern wir faire Löhne und wie verhindern wir «Working Poor»?
- Wie sichern wir Schutz vor Unfall, Krankheit und Arbeitslosigkeit?
- Wie garantieren wir Lohngleichheit zwischen Frau und Mann?
- Wie fördern wir die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie?
Es sind alte Fragen. Aber es sind und bleiben wichtige Fragen. Und sie zeigen, dass der 1. Mai aktuell bleibt als internationaler Tag der Arbeit.
Es braucht eine Politik der sozialen Sicherheit: gegen die allgemeine Verunsicherung und für eine stabile Wirtschaft im Dienste der Menschen. Am 24. September haben wir eine grosse Chance. Dann findet die Abstimmung über das Reformpaket zur Altersvorsorge 2020 statt. Damit können wir unsere Altersvorsorge stärken. Die Altersvorsorge ist ein Fundament der sozialen Schweiz. Und die Vorlage ist ein gutes Gesamtpaket.
Natürlich ist Rentenalter 65 für die Frauen kein Fortschritt. Aber es gibt viele andere Fortschritte, gerade auch für die Frauen:
- Erstmals seit Jahrzehnten gibt es eine Erhöhung der AHV. Denken wir an jene 500’000 erwerbstätigen Frauen, die keine zweite Säule haben. Sie profitieren stark vom Zuschlag von 70 Franken.
- Menschen mit tiefen Löhnen, Teilzeitpensen und mehreren Arbeitgebern profitieren. Sie erhalten eine höhere Rente aus der Pensionskasse.
- Die Reform sichert die AHV für das nächste Jahrzehnt. Sie sichert das Rentenniveau für alle.
- Die Reform ermöglicht viel mehr Flexibilität. Wichtig ist nicht nur, dass man schon mit 62 in Rente gehen kann. Wichtig ist auch, dass man bis 70 arbeiten kann. Dass man sich teilpensionieren lassen kann. Das hilft den Menschen und der AHV.
Am 24. September braucht es ein überzeugtes Ja der Linken zur Altersvorsorge. Denn die Balance stimmt. Und sie macht die Schweiz solidarischer und gerechter.
Solidarität ist keine leere Floskel. Ohne Solidarität keine funktionierende Gesellschaft. Der Staat ist keine Firma, der sich die Fittesten aussuchen kann. Wir sind eine Gemeinschaft, die alle mitnehmen muss. Auch die Schwächeren.
Wenn ich die neue Steuerstrategie des Kantons Berns anschaue, dann habe ich den Eindruck, die bürgerliche Mehrheit verwechselt den Kanton mit einem Unternehmen. Und richtet sich einseitig nach den Starken aus. Gegen eine einseitige Sparwut und diese Steuerstrategie auf Kosten der Schwächsten müssen wir uns wehren.
Es gibt meist keine einfachen Rezepte. Es gibt nur das permanente Engagement für eine gerechtere Welt. Für eine sozialere Schweiz. Für ein Bern für alle.