Bis letzten Sonntag: da gab es eine Wende, als er der Bevölkerung Graubündens erstmals eine Defizitgarantie seitens des Bundes versprach. Für ein Volksja im Kanton Graubünden setzt Bundespräsident Maurer viel aufs Spiel und wagt den Sololauf. Gleichzeitig setzt er sich über Bundesrat und Parlament hinweg und nimmt sich Kompetenzen heraus, über die er schlicht nicht verfügt. Das ist unglaublich und nicht tolerierbar. Und wir sind bei weitem nicht die Einzigen, die sich daran stören. Selbst aus den eigenen Reihen bläst dem Bundespräsidenten im Olympiadossier mittlerweile Gegenwind ins Gesicht. Denn er engagiert sich in diesem kantonalen Abstimmungskampf wie kein Bundesrat zuvor und gaukelt erst noch falsche Tatsachen vor, er tingelt durch den Kanton Graubünden und lässt keine Gelegenheit aus für Olympia 2022 zu werben. Dass er nun daherkommt und eine Defizitgarantie verspricht, ist ein Skandal. Jetzt muss er zurückgepfiffen werden nach Bern – im Sportlerjargon ist das grobes Foul, das die rote Karte verdient !
Die finanzielle Situation und ein allfälliges Defizit haben in der Finanzkommission des Nationalrates, die sich letzte Woche intensiv mit den finanziellen Aspekten der Olympiakandidatur auseinandergesetzt hat, stark zu reden gegeben. Grundsätzlich wird von allen Fraktionen festgestellt, dass es sich um ein finanzpolitisches Grossprojekt handelt und insgesamt noch sehr wenig Informationen vorliegen – und doch soll nun bereits in der Frühlingssession im Nationalrat darüber beraten werden. Betrachtet man die Olympischen Spiele in jüngster Zeit, so ist es jedes Mal zu riesigen Budgetüberschreitungen und Defiziten gekommen. Auch wenn Graubünden 2022 kleinere und nachhaltige Spiele anstrebt, was angesichts der Vorgaben des IOC stark in Zweifel gezogen werden muss, so muss die Frage wer ein allfälliges Defizit tragen wird, vorab geklärt sein. Die Finanzkommission schreibt in ihrer Medienmitteilung unmissverständlich: „Ein entsprechender Hinweis, dass der Bund keine Defizitgarantie übernimmt und ein allfälliges Defizit vom Kanton Graubünden getragen werden müsste, ist explizit in den Bundesbeschluss aufzunehmen. Zudem muss der Mechanismus, wie bei allfälligen Kreditüberschreitungen vorgegangen wird, ebenfalls im Bundesbeschluss festgeschrieben werden. Ferner verlangt die Kommission, dass die Kreditverwendung – sofern die Schweiz den Zuschlag erhält – genau überwacht wird.“
Im Abstimmungskampf wird diese notwendige Klärung heruntergespielt. Unbeirrt hält man an den Aussagen fest, auch nachdem die Finanzkommission ihre Medienmitteilung zum Mitbericht veröffentlicht hat. Offenbar gilt es die kantonale Abstimmung um jeden Preis zu gewinnen; wenn nötig auch unter Vorspiegelung falscher Tatsachen.
Eine klare Risikobeurteilung und transparente Controlling-Instrumente fehlen derzeit. Ich bin mit meinen Bedenken nicht allein. So hat doch die Finanzkommission diesen Ball aufgenommen und schreibt in der bereits erwähnten Medienmitteilung weiter: „Sie (die Finanzkommission; bg) empfiehlt aber der WBK, solange auf eine Zustimmung zu den geforderten Beiträgen des Bundes an die Olympischen Winterspiele 2022 zu verzichten, als nicht alle von der Finanzkommission formulierten Fragen und Risiken geklärt sowie die nötigen Steuerungs- und Controlling-Instrumente ausformuliert und zugesichert sind. Für die FK sind viele Fragen insbesondere im Bereich der Finanzierung noch offen.“
Dass jetzt mitten im Abstimmungskampf vom lokalen OK bereits eine erste Budgetüberarbeitung präsentiert wird, trägt nicht dazu bei, dass das Vertrauen wächst. Kurzerhand wurden einzelne Budgetposten gekürzt und insbesondere die Aufwendungen für das olympische Dorf in Davos fallen tiefer aus. Es fragt sich, ob da einfach weitere Kosten ins nicht-olympische Infrastrukturbudget abgeschoben werden oder dann bei der Tourismusförderung die hohle Hand gemacht wird. Die öffentliche Hand trägt insbesondere auch für die notwendigen Ausbauten im Infrastrukturbereich zusätzlich riesige Summen. Für Ausbauten der Bahn- und Strasseninfrastruktur sind mindestens 800 Millionen nötig, wovon der Bund den grössten Teil finanziert und auch die Sicherheit ist fast vollumfänglich von Kanton und Bund, der mindestens 70 Millionen für Armee- und Zivilschutzeinsätze bezahlt, getragen.
Fazit: Das finanzielle Engagement des Bundes wird in jedem Fall enorm sein. Vergleicht man diese Pläne mit den letzten Schweizer Kandidaturen Sion 2006 und Bern 2010, so waren die damals in Aussicht gestellten Beiträge ein Klacks dessen, was für Olympische Spiele 2022 fliessen soll. Schon der Bundesbeitrag für die Kandidatur 2022 ist mit 30 Millionen enorm. Es waren 1,2 Mio. für die Kandidatur Sion und 0,3 Mio. für die Kandidatur Bern gewesen. Im Falle der Durchführung hätte Sion lediglich 20 Mio. und Bern gar nichts erhalten, wobei noch geringe Defizitgarantien von maximal 30 Mio. respektive 11 Mio. zugesichert wurden. Auch für Infrastrukturbauten wären weit geringere Beiträge geflossen.
Sauer stösst auch die Tatsache auf, dass die Einnahmen mehrheitlich ans IOC fliessen. Lediglich 560 Millionen Franken überlässt das IOC dem lokalen Organisationskomitee unter gleichzeitigen massiven Vorgaben an die Anforderungen an eine Kandidatur. Die Hauptsponsoren werden vom IOC bestimmt. Die Ausgaben in Milliardenhöhe werden von der öffentlichen Hand getragen, die Einnahmen gehen aber ans IOC, das seinerseits nicht bereit ist sich an einem Defizit zu beteiligen, sondern von der öffentlichen Hand eine Defizitgarantie verlangt.
Wenig diskutiert wird die Tatsache, dass bei allen Vergaben für olympische Spiele der jüngsten Zeit und im IOC generell das Thema Korruption aktuell war. Das kann von linker Seite nicht einfach ausgeblendet werden. Will die Schweiz riskieren, dass im Fall einer Vergabe auch in Graubünden getrickst und geschummelt wird? Leider wurden zur Korruptionsbekämpfung und auch bezüglich der konkreten Nachhaltigkeit in ökologischer Sicht ausser Lippenbekenntnissen keine verbindlichen Zugeständnisse gemacht. Mein Fazit: Olympia bleibt in jeder Hinsicht ein waghalsiges Abenteuer.