Es war am Sonntagabend, dem 18. Oktober 2015, an dem klar war, dass nach dem Absturz der bürgerlichen Mitte und dem dramatischen Einbruch der Grünen bei den Parlamentswahlen in den nächsten vier Jahren nichts Akzeptables, geschweige denn Gutes aus dem Bundeshaus kommen würde. Die Wahl eines zweiten SVP-Bundesrats steht beispielhaft für die Wende in Bundesbern: Nach den Wahlen anerkennt die CVP den Machtanspruch von ganz rechts und beschreitet damit den Weg der Selbstaufgabe. Die SVP treibt mit ihren drei Kandidaten, einer schlimmer und unfähiger als der andere, die bürgerlichen Parteien wochenlang vor sich her und bekommt schliesslich ihren Willen. Sechs Monate nach dem Rechtsrutsch ist klar: Die SVP ist nicht nur die reichste und mächtigste Partei der Schweiz, sie ist auch federführend im rechtskonservativen Machtkartell.
Superreiche, Konzerne, die Armee und reiche Bauern werden privilegiert, bei den Renten, den Arbeitnehmenden-Rechten und den öffentlichen Leistungen wird gekürzt.
Der bürgerliche Schulterschluss funktioniert seither bestens: Superreiche, Konzerne, die Armee und reiche Bauern werden privilegiert, bei den Renten, den Arbeitnehmenden-Rechten und den öffentlichen Leistungen wird gekürzt. Die Linke wird komplett übergangen und ausgeschlossen. Angesichts dieser klaren Verhältnisse bleibt der SP gar nichts anderes mehr übrig, als in die Opposition zu gehen – sie wurde von rechts in diese Rolle gezwungen. Und so wird es in dieser Legislatur die Aufgabe der SP sein, eine konsequente Oppositionspolitik zu betreiben und diese Politik des Klientelismus für wenige und der sozialen Kälte für alle anderen entschlossen zu bekämpfen.
Eine zukunftsgerichtete Oppositionspolitik darf sich aber nicht auf Widerstand und Referenden beschränken. Opposition heisst auch, Alternativen aufzubauen und zu stärken. Die Sozialdemokratie ist und bleibt die Kraft, die auf tiefergreifende Veränderungen hinarbeitet, die bestehende Verhältnisse hinterfragt und versucht, eine bessere Welt zu gestalten. Konkret bedeutet das etwa, dass wir uns mit Referenden gegen Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen und Steuergeschenke an Grossunternehmen und Reiche wehren – und gleichzeitig gezielt Unternehmen fördern wollen, die im öffentlichen Besitz sind, sich am Gemeinwohl orientieren oder demokratisch geführt werden. In diesem Sinne werden wir in dieser Legislatur die Umsetzung der Idee der Wirtschaftsdemokratie, die im Parteiprogramm verankert ist, vorantreiben. Am Parteitag im Dezember 2016 werden wir eine breite Debatte darüber führen, mit welchen konkreten Projekten die SP einer demokratischen, ökologischen und solidarischen Wirtschaft zum Durchbruch verhelfen kann. Dieser wichtige Zwischenschritt reicht aber nicht: Um die Köpfe und Herzen der Menschen für radikale Alternativen zur herrschenden Ordnung zu gewinnen, müssen wir konkrete Projekte für eine demokratischere Wirtschaft vorlegen.
Konkret kämpft die SP aktuell mit vier Volksinitiativen für bessere Renten, zahlbare Mieten, einen Vaterschaftsurlaub und mehr Transparenz in der Politikfinanzierung.
Die doppelte Oppositionspolitik, die Widerstand und Gestaltung verbindet, ist unsere Antwort auf die rechtsbürgerliche Mehrheit im Bundeshaus. Konkret kämpft die SP aktuell mit vier Volksinitiativen für bessere Renten, zahlbare Mieten, einen Vaterschaftsurlaub und mehr Transparenz in der Politikfinanzierung. Die Sozialdemokratie ist es seit ihrer Gründung gewohnt, in der Minderheit gegenüber der dominierenden bürgerlichen Mehrheit zu sein. Und trotzdem haben wir – insbesondere zusammen mit dem Volk – zahlreiche Fortschritte erkämpft. Die anstehende Legislatur ist eine Chance uns auf diese Stärke zu besinnen.
In Bern, Zürich oder Lausanne zeigen wir, wie eine erfolgreiche Politik im Interesse der ganzen Bevölkerung aussehen kann.
Diese doppelte Oppositionspolitik ist gleichzeitig auch die Antwort der Sozialdemokratie auf die immensen gesellschaftlichen Herausforderungen wie soziale Ungleichheit, Klimawandel oder Flüchtlingselend, mit denen wir uns heute konfrontiert sehen. Auf nationaler Ebene und in vielen Kanton wird Oppositionspolitik in nächster Zukunft vor allem Widerstand und Verteidigung von Errungenschaften bedeuten. Insbesondere in den vielen Städten und Agglomerationen, in denen die SP in einer Mehrheitsposition politisiert, haben wir aber die die Möglichkeit offensiv zu gestalten. In Bern, Zürich oder Lausanne zeigen wir, wie eine erfolgreiche Politik im Interesse der ganzen Bevölkerung aussehen kann. Oppositionspolitik heisst dann, dass wir die progressiven Mehrheiten konsequent und mutig nutzen, um nachhaltige Wirtschaftskreisläufe zu stärken, um das Miteinander zu fördern, um die Rahmenbedingungen für attraktive und zeitgemässe Lebensmodelle zu schaffen. Kurz: Um lokale Mehrheiten für die Opposition zum ungerechten System zu nutzen und Orte des Widerstandes zu schaffen. Dieses Potenzial ist riesig und noch lange nicht überall ausgeschöpft. Für die SP geht es dabei um weit mehr als elektoralen Erfolg. Der notwendige gesellschaftliche Wandel über den entfesselten Kapitalismus hinaus wird nur dann zur Realität, wenn die Menschen in ihrem Alltag praktische Erfahrungen mit funktionierenden Alternativen sammeln können. Diese Erfahrungen zu ermöglichen, ist eine der zentralen Aufgaben der gestaltenden Oppositionspolitik in den Städten.
Den bürgerlichen Medien passt es nicht: Aber die SP wird auch in Zukunft die starke Kraft sein, die sich mit aller Kraft gegen Klientelismus und die Privilegien der wenigen wehrt. Die Würfel sind gefallen: In dieser Legislatur sind die politischen Fronten geklärt, wie lange nicht mehr. Die Auseinandersetzung dreht sich um die Frage, welche Schweiz wir in Zukunft wollen. Eine Schweiz der sozialen Kälte und der Privilegien. Oder eine Schweiz des Fortschritts und der Solidarität. Für diesen Kampf muss und wird sich die SP rüsten.