Pensionskassen-Vorlage: unsozialer Pfusch

Voraussichtlich im Sommer 2024 werden wir in einer Referendumsabstimmung über die Reform zur Beruflichen Vorsorge (BVG21, Pensionskassen-Vorlage) befinden. Die von der bürgerlichen Parlamentsmehrheit in Eigenregie verabschiedete Vorlage ist ein unsozialer Pfusch. Sie führt dazu, dass die Arbeitnehmenden auf breiter Front mehr in die Zweite Säule einzahlen müssen, im Alter aber trotzdem weniger Rente erhalten. Hier die Gründe für ein Nein zur Pensionskassen-Vorlage. 

Von Walter Langenegger

Als die Berufliche Vorsorge (BVG) 1985 eingeführt wurde, galt sie als Zaubermittel gegen alle Finanzprobleme in der Altersvorsorge. Dank des kapitalbasierten Sparens – so das damalige Versprechen – werde der Alterung der Gesellschaft ein Schnippchen geschlagen und der angeblich kränkelnden AHV eine starke zweite Säule zur Seite gestellt. Heute wissen wir es besser: Nicht die AHV ist das Problem, sondern das BVG. Obwohl inzwischen über 1100 Milliarden Franken angespart worden sind, ist das hochkomplexe System der Zweiten Säule in Schieflage geraten.

Ein Hauptgrund dafür ist, dass die Kapitalmärkte nicht gehalten haben, was sie einst versprachen. Volatile Aktienbörsen und jahrelange Tiefzinsphasen schmälerten die Kapitalerträge der Pensionskassen (PK). Zudem erwiesen sich das Verwalten und Anlegen des Kapitals als überaus teuer. Das gilt vor allem für die Sammelstiftungen. Diese kontrollieren heute nicht nur einen erheblichen Teil des BVG-Kapitals, sondern verrechnen den Versicherten enorm hohe Kosten. Der Bund geht davon aus, dass jährlich über sieben Milliarden an Finanzindustrie und Makler abfliessen; Kenner der Materie reden sogar von 20 Milliarden.

PK-Renten im Sinkflug

Die ungenügenden Renditen, die hohen Verwaltungskosten sowie die Tatsache, dass nun auch die geburtenstarke Babyboomer-Generation in Rente geht, zwingen die Pensionskassen dazu, zur Deckung der laufenden Renten das Sparkapital anzuzapfen, BVG-Beiträge zu erhöhen und Rentenleistungen zu kürzen. Darum sind die PK-Renten im Sinkflug. Seit 2015 wurden sie um 8,5 Prozent gekürzt, während sich die BVG-Beiträge in den letzten zehn Jahren um zehn Prozent erhöht haben.

Vor diesem Hintergrund einigten sich die Sozialpartner Ende 2017 auf einen Kompromiss zur Sanierung der Zweiten Säule. Im Wesentlichen umfasste dieser eine Rentenkürzung im obligatorischen BVG-Teil durch die Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent sowie eine Beitragserhöhung durch die Halbierung des Koordinationsabzugs bzw. die Ausweitung des rentenbildenden Lohnbestandteils (siehe: https://www.sgb.ch/aktuell/bvg-21).

Sozialpartner für Fairness

Da diese Massnahmen vor allem für die ersten 15 Neurenten-Jahrgänge beträchtliche Einbussen zur Folge gehabt hätten, schlugen die Sozialpartner für diese Alterskategorie einen garantierten Rentenzuschlag vor, der mit einem neuen Element hätte finanziert werden sollen: einem Zuschlag von 0,5% auf alle AHV-pflichtigen Löhne bis maximal 850‘000 Franken, organisiert nach dem Vorbild des AHV-Umlageverfahrens. Damit wären den Hauptbetroffenen weniger Leistungsverluste entstanden. Zudem hätte dies erlaubt, im unteren Lohnsegment die Frauenrenten aufzubessern.

Der solidarisch finanzierte Rentenzuschlag war fast schon revolutionär. Denn das BVG ist kein Sozialwerk, sondern nur eine staatlich obligatorisch erklärte private Rentenversicherung. Alle Erwerbstätigen sparen nur für sich. Wer einen kleinen Lohn hat, hat eine schlechte Rente, wer viel verdient, eine gute. Eine soziale Umverteilung findet nicht statt. Mit dem garantierten Rentenzuschlag wäre somit erstmals ein kleiner Ausgleich zwischen normalen und hohen Einkommen eingebaut worden. 

Abbau mit Feigenblatt

Genau diesen sozialen Rentenzuschlag aber brach das bürgerlich dominierte Parlament aus dem Paket heraus, übernahm die Reduktion des Umwandlungssatzes sowie in abgeänderter Form die Elemente zur Erhöhung der BVG-Abzüge und bastelte daraus eine reine Abbauvorlage. Daran ändern auch die Senkung der BVG-Eintrittsschwelle von 22‘050 Franken auf 19‘845 Franken und der Rentenzuschlag für die Übergangsgeneration nichts: Sie stellen keine soziale Abfederung dar, sondern sind bestenfalls ein Feigenblatt.

Der Grund dafür ist, dass mit der niedrigeren Eintrittsschwelle zwar etwa 100‘000 Arbeitnehmende mit Tiefstlöhnen, darunter vorab Frauen, besseren Zugang zum BVG erhalten. Aber weil viele von ihnen so wenig verdienen, dass sie im Alter ohnehin Ergänzungsleistungen (EL) brauchen, haben sie nichts davon – und dies, obwohl sie neu Lohnabzüge leisten. Ähnlich verhält es sich mit den Rentenzuschlägen: Diese schützen zwar die sehr tiefen Renten bis 1000 Franken, doch bringt dies wenig, weil viele in dieser Kategorie eine Rente haben werden, die die EL-Grenze nicht übersteigt. Die angebliche Abfederung entpuppt sich damit eher als eine Entlastung für die EL als eine Besserstellung der Menschen mit Tiefstlöhnen.

Sparen bei der Mittelklasse

Erst recht nicht auf geht die Rechnung für einen Grossteil der 5,3 Millionen Erwerbstätigen. Die Rentenzuschläge für die Übergangsgenerationen sind derart gering und limitiert, dass die Rentenverluste bei weitem nicht kompensiert werden. Berechnungen der Arbeitnehmerorganisationen zeigen, dass mit der Reduktion des Umwandlungssatzes eine generelle Rentenkürzung von zwölf Prozent stattfindet. Zudem bewirken die Massnahmen bei Eintrittsschwelle und Koordinationsabzug Lohnkürzungen von acht Prozent. Das trifft insbesondere die Mittelklasse mit durchschnittlichen Löhnen. Sie entrichtet mit dem BVG21 bedeutend mehr Lohnabzüge und muss gleichzeitig tiefere Renten in Kauf nehmen.

Frauen am stärksten betroffen

Laut dem Gewerkschaftsbund SGB können die Renten im Einzelfall bis zu 15 Prozent oder um 270 Franken pro Monat sinken. Am höchsten sind die Verluste für jene, die knapp nicht mehr in der Übergangsgeneration sind. In dieser Alterskategorie sind alle Einkommen von über 4500 Franken von tieferen Renten betroffen. Das sind grob geschätzt rund die Hälfte der Frauen und drei Viertel aller Männer. Selbst für die Jungen mit einem mittleren Einkommen ist die Revision ein Verlustgeschäft: Obwohl sie noch den Sparprozess vor sich haben, werden sie es kaum schaffen, auf das Niveau einer heutigen Rente zu kommen. Was die Pensionskassen-Vorlage für die einzelnen Lohngruppen bedeuten kann, zeigt folgende Tabelle:

Systemmängel ausgeklammert

Hinzu kommt, dass die gravierenden Systemmängel der Zweiten Säule mit der Pensionskassen-Vorlage nicht behoben werden. Nach wie vor ist es für Personen mit Einkommen unter 80‘000 Franken schwierig, sich eine BVG-Rente zu erarbeiten, die die Weiterführung der gewohnten Lebenshaltung nach der Pensionierung ermöglicht. Unerfüllt bleibt auch das Versprechen, das den Frauen mit der AHV21 abgegeben wurde: nämlich rasch Massnahmen zu ergreifen, um deren Situation im BVG zu verbessern. Und erst recht nichts unternommen wird dagegen, dass Banken und Versicherungen weiterhin mit einem intransparenten Gebührensystem Milliarden abzweigen und satte Gewinne erzielen.

Reform zur falschen Zeit

Zweifel an der Reform sind inzwischen auch angebracht, weil die Zinsen wieder deutlich ansteigen. Damit fällt das Hauptargument für die Revision weg. Denn mit der Zinswende verbessern sich die Deckungsgrade der Pensionskassen und es können wieder Reserven geäufnet werden. Welchen Sinn also macht es, auf Vorrat die Versicherten zu belasten?

Notbremse ziehen

Das alles spricht für das Referendum und dafür, die Notbremse zu ziehen und die misslungene Pensionskassen-Vorlage wuchtig zu verwerfen. Dies gilt umso mehr, als ein Nein die Chance eröffnete, auf den Sozialpartner-Kompromiss zurückzukommen und eine Reform aufzugleisen, welche das neue Umfeld mit Zinswende, Teuerung und Kaufkraftverlust mitberücksichtigt sowie eine gezielte Besserstellung der Frauen und den Einbau von etwas Solidarität vorsieht.

Dieser Text ist im Oktober 2023 zuerst auf dem Blog von Walter Langenegger erschienen.

Ansprechpartner:innen zu diesem Thema

Beitrag teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Animation laden...Animation laden...Animation laden...

Newsfeed

Du hast Fragen zur Mitgliedschaft oder dem Mitgliedschaftsformular? Wir helfen gerne.

Häufige Fragen

Am einfachsten, indem Du online das Beitrittsformular nebenan ausfüllst.

Du kannst selbst entscheiden, welches Engagement für Dich am besten passt.

  • Wenn Du wenig Zeit hast, ist es absolut in Ordnung, wenn Dein Engagement sich vor allem darauf beschränkt, Deinen Mitgliederbeitrag zu bezahlen. Auch das hilft uns sehr, um die Schweiz und die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
  • Die Sektion, bei welcher Du Mitglied bist, wird Dich eventuell hin und wieder anfragen, ob Du Zeit hättest, bei einer Standaktion, einer Unterschriftensammlung oder einer Telefonaktion mitzumachen. Falls Dir das zusagt, sind wir sehr froh darüber – aber es ist natürlich völlig freiwillig.
  • Die meisten Sektionen führen regelmässig Mitgliederversammlungen durch, um die aktuellsten politischen Themen und Aktivitäten zu besprechen. Die Teilnahme daran ist natürlich ebenfalls völlig freiwillig. Aber es kann ein guter Ort sein, um neue Leute kennenzulernen.
  • Falls Dich ein Themengebiet besonders bewegt, kannst Du Dich in einer Themenkommission der SP Schweiz oder Deiner Kantonalpartei engagieren, oder in einer der Unterorganisationen wie den SP Frauen, den SP Migrant:innen, der SP 60+ oder der SP queer.
  • Häufig gibt es auch die Möglichkeit, ein partei-internes Amt, z.B. im Vorstand Deiner Sektion zu übernehmen.
  • Falls Du das möchtest, kannst Du mit Deiner Sektion auch Kontakt aufnehmen, um über eine Kandidatur für eine öffentliches Amt zu sprechen, z.B. in der Schulpflege Deines Wohnortes.

Um unsere Werte verteidigen zu können, braucht es finanzielle Mittel. Die SP ist eine Mitgliederpartei und schöpft ihre Stärke aus dem Engagement ihrer Mitglieder.
Die Mitgliederbeiträge werden von den Kantonalparteien und den Sektionen unterschiedlich festgelegt und sind abhängig von Deinem steuerbaren Einkommen. Wir folgen unseren eigenen politischen Forderungen: Wer wenig verdient, bezahlt wenig, und wer viel verdient, beteiligt sich mehr an den Kosten von Partei und Politik.
In der Regel fallen jährlich je nach Einkommen Kosten zwischen circa 80 und einigen Hundert Franken an. Die Mitgliederbeiträge werden jährlich erhoben.

Ja, selbstverständlich! Du kannst der SP beitreten, ohne den Schweizer Pass zu haben. Denn alle Menschen, die in der Schweiz leben, sollen in der Politik mitdiskutieren können.

Du hast verschiedene Möglichkeiten, Dich einzubringen. Wenn Du an Deinem Wohnort aktiv werden möchtest, wendest Du Dich am besten an die Sektion Deiner Gemeinde oder Deines Quartiers. Diese ist auch die richtige Anlaufstelle für den Einsatz in einem öffentlichen Amt (Gemeinderat, Schulpflege, Sozialbehörde…).
Du kannst Dein Wissen und Können auch innerhalb der Partei einbringen. Die SP sucht immer Leute, die sich in der Parteiorganisation engagieren (Gemeinde, Bezirk, Kanton, Themenkommissionen).

Melde Dein Interesse bei den Verantwortlichen Deiner Ortssektion an. Die Sektion nominiert SP-Kandidierende für öffentliche Ämter, sei dies für den Gemeinderat oder die lokalen Schul-, Sozial- oder Finanzbehörden. Die Ortssektion bildet oft auch für Ämter auf übergeordneter Ebene (Kantons- oder Grossrat) den Ausgangspunkt des parteiinternen Nominationsprozesses.

Abgesehen von der Zahlung des jährlichen Mitgliederbeitrags gehst Du keine Verpflichtungen ein. Voraussetzung für den Beitritt ist eine inhaltliche Nähe. Dies bedingt jedoch nicht, dass Du in allen Fragen mit der SP gleicher Meinung sein musst.

Die Statuten der SP Schweiz verbieten die gleichzeitige Mitgliedschaft in mehreren Schweizer Parteien.
Doppelbürger:innen können Mitglied der SP Schweiz und Mitglied einer ausländischen Schwesterpartei sein, beispielsweise der deutschen SPD oder des italienischen Partito Democratico. Die Mitgliedschaft bei der SP Schweiz ist für Angehörige von Schwesterparteien gratis, sofern sie belegen können, dass sie in ihrem Heimatland Mitgliederbeiträge an eine Sozialdemokratische Partei entrichten.

Ja. Auch im Ausland kannst du dich als Mitglied der SP Schweiz in die Politik einbringen. Wenn Du Deinen Wohnsitz im Ausland hast, wirst du automatisch Mitglied der SP International.

Für JUSO-Mitglieder besteht bis zum Alter von 26 Jahren die Möglichkeit einer kostenlosen SP-Mitgliedschaft. Ein entsprechender Antrag kann per Mail an [email protected] gestellt werden.

Das bietet Dir die SP

Was Du von der SP erwarten darfst.

Du bist nah dran an der Politik: Wir schicken Dir unsere Aufrufe, Newsletter sowie sechs Mal jährlich unser Mitgliedermagazin „links“. Du kannst Dich mit Gleichgesinnten vernetzen.

Du kannst von andern lernen und Dich mit Deinem Wissen und Können auf verschiedenen Ebenen in der Partei einbringen.
Gemeinsam schaffen wir eine bessere Zukunft!

Keine Demokratie ohne Bildung. Wir bieten Dir Webinare und Seminare zu Hintergrundwissen und aktuellen politischen Themen.