Interview Pia Wildberger
Im September stimmen wir darüber ab, ob der Umwandlungssatz von 6,8 auf 6 Prozent gesenkt werden soll. Ist diese Massnahme sinnvoll?
Danny Schlumpf: Das ist das bürgerliche Mantra: Wir müssen die Pensionskassen-Renten senken, um sie zu sichern. Doch diese Renten sind in den letzten 20 Jahren bereits um 40 Prozent geschrumpft. Irgendwann bleibt gar nichts mehr zu sichern übrig. Es gibt sinnvollere Alternativen, um die zweite Säule zu stabilisieren. Die sehen wir aber nur, wenn wir den Fokus weg von den Versicherten lenken.
Was heisst das konkret?
Der Staat zwingt die Angestellten in der Schweiz zur Einzahlung in die zweite Säule und überlässt die Verwaltung dieses Geldes der Finanzindustrie, die er äusserst ineffizient überwacht. Banken, Versicherungen und andere Finanzdienstleister arbeiten konsequent gewinnorientiert – auch mit dem 1200 Milliarden Franken schweren Pensionskassentopf, für dessen Verwaltung sie jedes Jahr offiziell 8 Milliarden Franken an Gebühren auf Kosten der Zwangsversicherten abschöpfen. Hinzu kommen weitere Milliarden an versteckten Gebühren, die in keiner Statistik auftauchen. Würden wir dieser Kostenflut einen Riegel schieben, könnten wir jedes Jahr Milliarden sparen. Der Unterschied zur Vorlage vom September: Die Versicherten würden dabei keinen einzigen Franken verlieren.
Befürworter der Revision führen an, dass Frauen mit Teilzeitarbeit oder mit tiefen Einkommen bessergestellt werden. Wird dieses Versprechen denn nicht eingelöst?
Die Revision würde bedeuten, dass diese Frauen im Verlauf ihres Erwerbslebens höhere Beiträge zahlen. Für viele von ihnen wird es dafür aber keine höhere Rente geben – sie erhalten stattdessen einfach weniger Ergänzungsleistungen. Das ist keine Besserstellung, sondern eine Entlastung von Bund und Kantonen auf Kosten dieser Vorsorgeversicherten.
Welche Rolle spielen die Rentner:innen in diesem Abstimmungskampf?
Wie in anderen Fällen auch bestimmen sie über die finanzielle Zukunft ihrer Kinder und Enkelkinder mit. Ebenso wichtig sind aber die Erwerbstätigen, die in den nächsten Jahren pensioniert werden. Ihnen würde die Pensionskassen-Vorlage eine Kompensation für die Senkung des Umwandlungssatzes zusprechen. Diese Rentenzuschläge betragen allerdings maximal 200 Franken pro Person und Monat. Die Hälfte der Versicherten kriegt gar nichts. Ich bezweifle, ob die Übergangsgeneration von dieser Kompensation begeistert ist.
Wie sieht eine bessere PK-Lösung aus?
Die Versicherten sollten sich nicht einreden lassen, sie müssten die zweite Säule mit weiteren Rentenkürzungen stabilisieren. Sie haben den Gürtel eng genug geschnallt. Stattdessen sollten sie den Blick auf diejenigen richten, die ihr Vorsorgevermögen verwalten. Die Finanzindustrie hat eine massive Lobby im bürgerlichen Parlament. Dagegen hilft nur geballter Druck durch die Versicherten selbst, auf deren Kosten die Geldhäuser ihre Gewinne machen. Das Potenzial der Versicherten ist nicht zu unterschätzen – in der Schweiz sind es immerhin 4,5 Millionen Menschen.
Zur Person
Danny Schlumpf, SP-Mitglied aus Chur, beschreibt zusammen mit Mario Nottaris im lesenswerten Buch «Das Rentendebakel», wie Politik und Finanzindustrie unsere Vorsorge verspielen. Er ist CEO der Admicasa Management AG, die Vorsorgelösungen anbietet.