Eine Freundin der Armee war ich noch nie. Als junge Erwachsene war ich sogar ganz begeistert von der Armeeabschaffungs-Initiative der GSoA. Auch wenn die Initiative bekanntlich keine Mehrheit fand (aber immerhin eine respektable Zustimmung von 35,6%, was an eine Sensation grenzte), wurde nach der Abstimmung aber doch vieles in Gang gesetzt. Die Armee von heute ist nicht mehr mit der Armee der 1980er-Jahre vergleichbar: Der Bestand ist kleiner, die Dienstzeit verkürzt, die Armee öffnete sich ein bisschen gegenüber sexuellen, religiösen und sprachlichen Minderheiten und es gibt mit dem Zivildienst endlich eine Alternative zum Militärdienst (auch wenn von Seiten VBS immer wieder dagegen geschossen wird).
Als neues Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates (SiK-N) war ich darum durchaus gewillt, meine Vorurteile abzulegen und mich möglichst wertneutral auf die Schweizer Armee einzulassen. Der Vorurteile waren da nämlich viele. Diese fingen beim vermeintlich veralteten Bedrohungsbild der Führungsgarde an und erstreckten sich bis hin zu «Mauscheleien» und Vetterliwirtschaft im Beschaffungswesen. Trotzdem, ich war bereit für das «Abenteuer Armee».
Nach drei Monaten als Mitglied in der SiK muss ich ernüchtert, ja sogar richtig gehend erschüttert, feststellen: Sie sind wohl alle wahr, die Vorurteile waren mitnichten unberechtigt! Es begann mit dieser unseligen DURO-Geschichte: Offenbar findet man es im VBS kein Problem, ein Fahrzeug, das 144’000 CHF in der Beschaffung kostete für 263’000 CHF zu renovieren. Der Auftrag wurde nicht mal öffentlich ausgeschrieben. Die Mehrheit des National- und Ständerats sah unverständlicherweise ebenfalls kein Problem damit.
Offenbar findet man es im VBS kein Problem, ein Fahrzeug, das 144’000 CHF in der Beschaffung kostete für 263’000 CHF zu renovieren.
Auch wurde ich das ungute Gefühl nicht los, dass die Führungselite der Schweizer Armee noch nicht wirklich mit den Bedrohungsszenarien des 21. Jahrhunderts arbeitet, anders lässt sich die finanzielle Prioritätensetzung im Rüstungsprogramm nicht erklären. In die Cyber-Abwehr wird zwar auch investiert. Die Prioritäten werden aber falsch auf den Cyber-Selbstschutz der Armee gelegt und in Bezug auf die tatsächlichen Cyber-Herausforderungen wird nach wie vor viel zu wenig gemacht.
Das Fass zum Überlaufen brachte aber letzte Woche die Affäre um das BODLUV-Projekt. Die «Rundschau» des Schweizer Fernsehens erhielt Einsicht in interne Evaluations-Dokumente, welche beiden zur Diskussion stehenden Lenkwaffensystemen keine guten Noten erteilten. Trotzdem setzte sich der Projektausschuss unter Führung des Kommandanten der Luftwaffe Aldo Schellenberg darüber hinweg, so ganz nach dem mathematischen Grundsatz «zweimal Minus ergibt Plus». Unterstützt wurde er dabei vom Chef der Armee, André Blattmann. Der neue VBS-Vorsteher, Bundesrat Guy Parmelin, hat nun die Notbremse gezogen und das Projekt sistiert. Es brauche eine Gesamtschau bei der Luftraumverteidigung. Ein sicher richtiger Entscheid! Ist es Zufall, dass just ein Tag später Blattmann seinen Rücktritt bekannt gab? Honi soit qui mal y pense…
Der BODLUV-Projektausschuss setzte sich über die schlechten Evaluationsberichte hinweg, so ganz nach dem mathematischen Grundsatz «zweimal Minus ergibt Plus».
All diese Vorfälle werfen wirklich kein gutes Licht auf das VBS. Stimmt das halt doch mit den «Mauscheleien»? Es lässt sich nicht abstreiten, dass alle diese Beschaffungspleiten (FIS-Heer und GRIPEN lassen grüssen) leider keine Einzelfälle sind. Man kann sogar davon ausgehen, dass sie System haben. Das ist inakzeptabel den Steuerzahlern gegenüber!
Darum stellen sich für mich nun folgende Forderungen, die dringend erfüllt werden müssen:
- Das Projekt BODLUV muss vorläufig ersatzlos gestrichen werden. Ich teile Anita Fetz’ Ansicht, dass das Armeebudget 2017 damit auch zwingend um den geplanten Betrag gekürzt werden muss.
- Es braucht nun eine lückenlose und transparente Untersuchung der BODLUV-Affäre und namentlich der Rolle, welche Luftwaffenchef Aldo Schellenberg im Projektausschuss spielte.
- In der Pflicht ist auch die Armasuisse. Warum war sie in Beschaffungsprozessen und dem Projektmanagement komplexer Beschaffungsvorhaben der Armee immer wieder überfordert? Warum setzte Armasuisse erneut den Schweizer Ableger der französischen Firma Thales als Generalunternehmerin ein, obschon dies zu Rollenkonflikten führt und Thales bereits bei der Beschaffung von FIS Heer völlig versagt hat? Armasuisse muss in ihren Beschaffungsabläufen dringend etwas ändern und ihre Systemfehler korrigieren.
Falls es die Schweizer Armee schafft, die nötige Transparenz und Erneuerung zu realisieren, bin ich durchaus bereit, ihr nochmals eine Chance zu geben.