Der Blick titelte letzte Woche in riesigen Buchstaben: „Jetzt kommt die Lex Carlos“. Hans Fehr (SVP) habe eine Motion eingereicht, welche eine Verschärfung des Jugendstrafrechts verlange. Der Vorstoss wurde angeblich von 110 ParlamentarierInnen unterschrieben.
Das ist ein Beispiel von leider vielen politischen Schnellschüssen. Immer wieder haben wir in den letzten Jahren beobachtet, dass aufgrund von emotionalen, medial aufgeblasenen Ereignissen parlamentarische Vorstösse eingereicht oder gar ganze Gesetzgebungsprozesse initiiert wurden. Ich habe grosse Mühe mit dieser Art Aktivitäten von Politikern und Politikerinnen. Politischen Fastfood finde ich ungeniessbar.
Damit ich richtig verstanden werde: ich kann und will nicht beurteilen, ob das Vorgehen im sogenannten Fall „Carlos“ richtig war. Darum geht es mir auch nicht. Das soll untersucht werden und falls notwendig sollen Korrekturen angebracht werden. Selbstverständlich und noch viel mehr gilt das für den Fall der ermordeten Sozialtherapeutin. Es ist ganz wichtig, sorgfältig und schonungslos zu klären, ob Fehler gemacht wurden und wie in Zukunft solche Fehler vermieden werden können. Wenn gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, müssen Bundesrat und Parlament diesen möglichst rasch anpacken.
Was mich jedoch zunehmend ärgert, sind politische Instant-Rezepte und durch die Medien verbreitete Absichtserklärungen von Politikerinnen und Politikern: Viel warme Luft, im Moment schön verpackt, aber mit Null politischem Nährwert drin. So kann und soll man keine Gesetzgebungsarbeit machen. Gerade wenn es um das Strafrecht oder auch das Asylrecht geht, so entwickelt die Politik oft einen unsäglichen Aktivismus. Die Gesetze werden immer wieder vorschnell geändert. Ob die Änderungen in der Praxis wirklich tauglich sind, wird nicht oder nur oberflächlich überprüft. Das Hüst und Hott macht die Umsetzung enorm schwierig. Wenn dann irgendwo etwas geschieht, was Schlagzeilen macht, kommt umgehend der Ruf nach schärferen, härteren oder anderen Gesetzen. Im schlimmsten Fall kann ein eigentlicher Teufelskreis einsetzen. Wenn unser System nicht eine gewisse Trägheit hätte, wären die Folgen noch viel schlimmer.
Dennoch finde ich die Entwicklung höchst bedenklich. Natürlich bin auch ich nicht davor gefeit, dass mich die mediale Berichterstattung beeinflusst. Wenn ich in der neuesten Ausgabe des Strassenmagazins „Surprise“ den Artikel von Renato Beck über die Befragung von Asylsuchenden lese, löst das auch bei mir den Reflex aus, politisch aktiv zu werden. Ein Bericht wie dieser kann auch für mich der Auslöser für einen Vorstoss oder eine andere politische Aktivität sein. Doch ich hüte mich, sofort eine Anpassung der Gesetze zu verlangen. Nach vielen Jahren politischer Arbeit weiss ich, dass ganz oft der Teufel nicht nur im Detail, sondern in der konkreten Umsetzung der Gesetze liegt. Dann hilft es sehr viel mehr, mit der Verwaltung zu schauen, ob und wenn ja, wo die Probleme liegen. Aber eben. Das braucht Zeit und findet dann im Hintergrund und unbeachtet von Medien und Öffentlichkeit statt. Ich plädiere aus Überzeugung für mehr politischen Slowfood.