Nicht weniger als acht Nationalbanken haben den Klimawandel schon im Visier. Die Zentralbanken von China, Deutschland, England, Frankreich, Mexiko, den Niederlanden, Schweden und Singapur haben sich dem Zwei-Grad-Ziel verpflichtet. Sie haben im Dezember 2017 ein Netzwerk für die «Ökologisierung des Finanzsystems» (NGFS) gegründet, weil sie «die globale Reaktion verstärken wollen, die erforderlich ist, um die Ziele des Übereinkommens von Paris zu erreichen». Die Schweiz fehlt. Das ist falsch.
Nationalbanken verfolgen unterschiedliche Ziele. Es besteht international aber weitgehend Konsens, dass der Klimawandel erhebliche Risiken für kohlenstoffintensive Vermögenswerte birgt. Warum? Weil die Kohle-, Erdöl- und Gaskonzerne dieser Welt überbewertet sind. Sie weisen in ihren Bilanzen fünfmal mehr Kohlenstoffreserven aus, als die Welt verbrennen darf.
Achtzig Prozent ihrer Reserven müssen im Boden bleiben, sonst überhitzt der Planet, und die Klimaentwicklung gerät ausser Kontrolle. Die Naturkatastrophen lassen sich dann weder abschätzen noch versichern. Das befürchten zumindest gewisse Rückversicherer. Zudem drohen gewaltige katastrophenbedingte Infrastrukturkosten, welche auch die übrigen Wirtschaftsteilnehmer in Mitleidenschaft ziehen. Bleiben die fossilen Reserven hingegen im Boden, droht vor allem eines: ein gewaltiger Abschreiber bei den Fossilkonzernen und ihren Wertschriften.
Deshalb erwägen Zentralbanken der EU-Mitgliedstaaten, unter anderem in Schweden, Deutschland und England, Klima-Stress-Tests. Die niederländische Zentralbank (DNB) hat den holländischen Finanzmarkt schon 2014 einem solchen unterzogen. Der reglementarische Auftrag der Bank of England ist seit 2012 mit dem Klimawandel verknüpft. Einige Zentralbanken gehen sogar noch weiter und zielen auf die direkte Förderung nachhaltiger Investitionen ab. Die EU-Kapitalmarktreform zwang die Europäische Investitionsbank dazu, die Verfügbarkeit von nachhaltigen Investmentfonds (Green funds) zu erhöhen. Mindestens zwanzig Prozent des EU-Klimaschutzbudgets 2014–2020 sollen zu diesem Zweck aufgewendet werden.
Die NZZ und die SNB begründen ihre ablehnende Haltung mit der sogenannten Investitions-«Neutralität». Dieses Argument ist aber fehl am Platz. Denn eine Investitionspolitik, die das Klimarisiko ignoriert, ist nicht neutral, sondern blind. Zunächst aus ökonomischer Sicht, denn sie missachtet den Auftrag zur Sicherung der Finanzstabilität. Dazu sagte François Villeroy de Galhau, Direktor der französischen Nationalbank, am 6. April 2018: «Ein stabiles Klima ist auf lange Sicht ein entscheidender Faktor für Finanzstabilität . . .»
Das Neutralitätsargument ist aber auch aus politischer oder ethischer Sicht abwegig. Denn mit einer Investitionspolitik, welche die Klimafrage ignoriert, ergreift die Schweizerische Nationalbank (SNB) faktisch Partei für einen Anstieg der Erdtemperatur um 4 bis 6 Grad. Sie verstösst gegen die Interessen der Schweiz, gegen das nationale CO2-Gesetz, das Abkommen von Paris und – last, but not least – gegen die eigene SNB-Strategie, welche Anlagen, die «systematisch gravierende Umweltschäden verursachen», ausschliesst. Was, wenn nicht eine Klimaerwärmung um 4 bis 6 Grad, erzeugt denn systematisch gravierende Umweltschäden?
Es bezweifelt niemand, dass die SNB dem Gebot der Vorsicht folgen und ihre Anlagepolitik auf Liquidität, Sicherheit und Ertrag ausrichten muss. Sie muss auf Diversifikation und Neutralität setzen und passiv anlegen. Keines dieser Prinzipien wird aber verletzt, wenn sie ihr Portfolio klimaneutral umschichtet und den Finanzmarkt einem Klimastresstest unterzieht. Denn es stimmt eben nicht, dass eine systematische Überprüfung und eine klimafreundliche Anpassung der Anlagepolitik Risiken schafft.
Nachhaltige Anlagen und Fonds sind nicht schwächer oder unsicherer als andere; gemäss wissenschaftlichen Studien bieten sie häufig gar bessere Rendite-Profit-Profile. Philip Hildebrand, ehemaliger SNB-Präsident und heutiger Vice Chairman des weltweit grössten Vermögensverwalters Black Rock, schrieb im Oktober 2016: «Dafür müssen die Anleger aber verstehen, inwiefern sie dem Klimawandel ausgesetzt sind. So können sie die Anlagen in ihrem Portfolio richtig gewichten, um Klimarisiken zu reduzieren.
Die Kohlenstoffbilanz eines globalen Aktienportfolios lässt sich um 70 Prozent reduzieren, wenn die Anleger bei der Zusammensetzung um nur 0,3 Prozent vom Index abweichen. Ein Portfolio mit Schwerpunkt auf besonders energieeffizienten Unternehmen kann sogar seinen Vergleichsindex übertreffen. Daraus ergibt sich aber auch die wirklich gute Nachricht für Investoren: Es ist möglich, klimabewusst zu investieren, ohne bei klassischen Zielen der Renditemaximierung Kompromisse eingehen zu müssen.»