Satte Menschen statt satte Profite

«Das Recht auf angemessene Nahrung ist dann verwirklicht, wenn jeder Mann, jede Frau und jedes Kind, einzeln oder gemeinsam mit anderen, jederzeit physisch und wirtschaftlich Zugang zu angemessener Nahrung oder Mitteln zu ihrer Beschaffung hat». Diese rechtlich verankerte Garantie im Uno-Pakt I wird auch 49 Jahre nach ihrer Verabschiedung durch die Uno-Generalversammlung weltweit tagtäglich verletzt.

Nach wie vor hungert weltweit eine knappe Milliarde Menschen. Weitere zwei Milliarden sind mangelernährt. Das Ziel der Staatengemeinschaft, die Anzahl der Hungernden von 1990 bis 2015 zu halbieren, ist gescheitert. Bis September verhandeln die Mitgliedsstaaten der UN in New York deshalb über neue Ziele und Massnahmen zur Reduktion von Hunger und Armut. Die offizielle Schweiz versucht den grossen Staaten während den Verhandlungen Zugeständnisse abzuringen. Bis jetzt durchaus erfolgreich. Wenn es aber darum geht dem eigenen Finanzplatz minimale Regeln im Kampf gegen den Hunger abzuverlangen, hat die Schweiz plötzlich Beisshemmungen.

Die Initiative «Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln» will verhindern, dass es mit Wetten auf Lebensmittelpreise zu Preisschwankungen und in der Folge zu Hungerkrisen in armen Ländern kommt. Denn eine grosse Volatilität der Preise für Grundnahrungsmittel verwehrt nicht nur Millionen von Menschen den Zugang zu Lebensmitteln, sie verhindert auch reale Investitionen in die Landwirtschaft.

Die Initiative «Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln» will verhindern, dass es mit Wetten auf Lebensmittelpreise zu Preisschwankungen und in der Folge zu Hungerkrisen in armen Ländern kommt.

Eine Mehrheit des Ständerates ist jedoch nicht bereit, die Spekulation mit Nahrungsmitteln zu verbieten und damit Ernährungsprobleme und Armut in Entwicklungsländern zu bekämpfen. Der Entscheid macht deutlich: Der Abstimmungskampf wird kein Spaziergang werden. Bereits im Vorfeld der Ständeratsdebatte wehrten sich die Banken mit der Verbreitung falscher Studien und der Gründung von Lobby-Organisationen gegen die Spekulationsstopp-Initiative und minimale Regulierungen im Finanzmarktinfrastrukturgesetz. Es lässt sich nur erahnen mit welch dreisten Lügen sie sich in den Abstimmungskampf einschalten werden, um ihre Profite zu sichern.

Dennoch sind die Chancen der Initiative intakt. Eine breite Allianz aus Hilfswerken und Entwicklungsorganisationen unterstützt die Initiative ebenso wie die Bauerngewerkschaft Uniterre und die Kleinbauernvereinigung. Selbst der stramm bürgerliche Bauernverband will die Spekulation mit Agrarrohstoffen eindämmen und enthält sich deshalb bei der Juso-Initiative der Stimme. Es wäre jetzt an den Vertreterinnen und Vertretern der Mitteparteien im Nationalrat für einen glaubwürdigen Gegenvorschlag zu sorgen. Gelingt dies nicht, werden sich die Spekulanten warm anziehen müssen, um im Abstimmungskampf zu erklären, weshalb ihre Freiheit auf steigende Spekulationsgewinne wichtiger sei, als das Recht auf Freiheit und Selbstbestimmung der Völker des Südens.

Die Schere zwischen Nord und Süd würde mit der Spekulationsstopp-Initiative nicht abgeschafft, aber zumindest etwas geschlossen. 

Jahr für Jahr spenden Herr und Frau Schweizer Millionen für Hilfsprojekte. Und im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit vor Ort oder der Vertretung in internationalen Organisationen leistet die Schweiz einen wichtigen Beitrag zur Reduktion des Hungers. Umso unverständlicher wäre es, wenn sie Schweizer Banken, die für die Ernährungskrise der letzten Jahre stark mitverantwortlich sind, nicht an die Leine nehmen würde. Mit einem Spekulationsverbot auf Agrarderivate könnte die Schweiz gemeinsam mit den USA und der EU, die ebenfalls Regulierungen in diesem Bereich beschlossen haben, einen bedeutenden Beitrag zur Ernährungssicherheit in den Entwicklungsländern leisten. Die Schere zwischen Nord und Süd würde damit nicht abgeschafft, aber zumindest etwas geschlossen. Oder wie es Willy Brandt einmal ausgedrückt hat: «Satte Menschen sind nicht notwendigerweise frei, hungernde Völker sind es in jedem Falle nicht».  

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