Gewerkschaften, Insider und die Politik stellen fest: Der CEO der SBB und VR-Präsident von SBB Cargo in Personalunion, Andreas Meyer, will vor seiner verordneten Entmachtung mit diesem Mehrjahresprojekt seiner «Weiter-Schrumpfungsstrategie» der vergangenen 10 Jahre noch den letzten Stempel aufdrücken. Die Gewerkschaften und die Politik legen ein «Veto» ein. Noch gibt sich der sich als unentbehrlich einschätzende Leiter des Staatskonzerns SBB unbeeindruckt und fährt seinen Kurs weiter.
Meyer gerät unter Druck
Doch nicht erst seit RailFit, einem fragwürdigen Reorganisationsprogramm mit McKinsey-Unterstützung, scheint in- und extern der Druck auf Meyer zu wachsen. Trugen frühere Abgänge im obersten Kader noch Meyers «Rausschmiss-Schrift», scheinen jüngste Abgänge nahezulegen, dass einige Topkader vom eigenmächtigen Gebaren mit engmaschigen Kontrollsystemen die Nase voll haben.
Führung und Lohn umstritten
Während der Lohn von Andreas Meyer 2016 zum wiederholten Male die Millionengrenze überschritt, soll bei den unteren Löhnen gekürzt werden: Im laufenden GAV-Verhandlungsprozess wurde den Sozialpartnern dargelegt, weitere Kostensenkungsprogramme bei den Arbeitsbedingungen umsetzen zu wollen. Tabulos wurde ein Sparprogramm zulasten des Personals präsentiert, das keinen Halt vor Lohnabbau, Ferienkürzungen und vereinfachten Kündigungen macht.
Cargo – Tatbeweis fehlender Strategie
Mit dem Projekt zur Weiterentwicklung SBB Cargo legt sich Meyer nun auch noch mit dem Eigner an. Während das getrübte Verhältnis zwischen SBB und Bundesamt für Verkehr nicht erst seit der unsäglichen Geschichte um Fernverkehrskonzessionen einer breiten Öffentlichkeit bekannt ist, zeigt Meyer nun auch auf, was er von der Politik hält.
Im Rahmen der Diskussion «Organisation Bahninfrastruktur» (OBI) wurde auch über die Zukunft von SBB Cargo beraten. Varianten von Privatisierung bis Vollintegration in die Bundesverwaltung standen auf dem Prüfungsprogramm. Beide Kommissionen und das Parlament unterstützten die Schlüsse des Bundesrates:
SBB Cargo bleibt Teil des SBB Konzerns – aber ohne Meyer
SBB Cargo soll Teil des SBB-Konzerns bleiben. Das Verwaltungsratspräsidium muss durch einen unabhängigen Dritten besetzt werden und durch Minderheitsbeteiligungen Dritter soll Knowhow einfliessen.
Abbau, der Verzweiflungsakt fehlender Visionen?
Anstatt den Stabwechsel im Verwaltungsrat vorzubereiten, legt Meyer nun den Plan für einen Kahlschlag bei SBB Cargo vor: Ein Drittel der Belegschaft, wohl bis zu einem Drittel bei den Bedienpunkten, sollen bis ins 2023 abgebaut werden.
«Eigenwirtschaftlichkeit» muss überdacht werden
Die SBB, in 100-prozentigem Eigentum des Bundes, wies in den vergangenen Jahren unmissverständlich nach:
- Die mit der Politik erarbeitete Eigenwirtschaftlichkeit kann im Güterschienengeschäft längerfristig und wiederkehrend nicht erreicht werden.
- Die anhaltende Weiterschrumpfung von SBB Cargo in den zwei vergangenen Jahrzehnten beinhaltete jeweils, die defizitärsten Bereiche abzuschneiden, was aber kaum zu nennenswerten Verschnaufpausen führte. Inzwischen löst ein Abbauprogramm das andere ab und der Erfolg bleibt aus.
- Die gelebte Schrumpfungskultur missachtet die Absicht des Eigners, dass der Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene wachsen, zumindest nicht rückläufig sein soll. Kapazitätsabbau verhindert eine Gesundung und eine Partizipation am Wachstumsmarkt, der gemäss Studien des Bundes bis im Jahr 2040 45 % betragen soll.
- Das Vorpreschen Meyers stösst auf Kritik: 92 Nationlratsmitglieder verlangen in einer Motion eine Denkpause bei SBB Cargo. Es sollen keinerlei strategische Weichenstellungen zur Zukunft von SBB Cargo vorgenommen werden, bis der Verwaltungsrat von SBB Cargo unter Leitung eines unabhängigen Präsidiums eine neue Strategie entwickelt hat, die der Unternehmung eine nachhaltige Weiterentwicklung sichert.
Mitarbeitende sind konsterniert
Auch die Belegschaft, traditionell von einer hohen Loyalität zur Bahn geprägt, muckst hörbar auf: Meyers verlangte Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und der geplante Abbau bei SBB Cargo verbunden mit allseitig kritisiertem CEO-Lohn scheint das Fass zum Überlaufen zu bringen.
Politik setzt fragwürdige Anreize
Bestimmt müssen sich aber auch die Politik und der Bundesrat fragen, ob mit diesem ganzen Getue um Eigenwirtschaftlichkeit und dem Hohelied auf die Privatwirtschaft der Gedanke des Service public nicht sträflich vernachlässigt wurde.
Versorgung ist das Ziel staatlicher Leistungen – nicht Rentabilität
Noch ist es so, dass die vom Staat erbrachten Leistungen nicht Rentabilität als primäres Ziel haben, sondern die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Dieses Ziel soll effizient und erfolgreich erbracht werden: Bei der SBB im Interesse des sicheren Transportes von Mensch und Ware unter Einhaltung sozialer und ökologischer Kriterien. Die Diskussion, ob dies unter Meyers Leitung noch möglich ist, wird sich weisen.