Die Arbeit mit Tatpersonen sexualisierter Gewalt ist der beste Opferschutz. Was in der Praxis schon lange bekannt ist, findet endlich auch in der Politik Gehör: Die ständerätliche Rechtskommission (RK-S) fordert die Einführung von obligatorischen Lernprogrammen und Gewaltberatungen für verurteilte Tatpersonen. Dies ist ein Erfolg für die SP Frauen und die feministische Bewegung sowie ein wichtiger Schritt in Richtung einer Gesellschaft mit weniger sexualisierter Gewalt. Enttäuschend ist derweil, dass die Kommission bei der Debatte um die Neudefinition von Vergewaltigung an der «Nein heisst Nein»-Lösung festhält. Einzig die Lösung «Nur Ja heisst Ja» sorgt für einen effektiven Schutz der sexuellen Selbstbestimmung.
«Dass die RK-S anders als der Nationalrat obligatorische Täter:innenarbeit fordert, ist ein weiterer grosser Erfolg für die feministische Bewegung», sagt Tamara Funiciello, Nationalrätin und Co-Präsidentin der SP Frauen Schweiz. «Lernprogramme und Gewaltberatungen für Tatpersonen sexualisierter Gewalt – wie sie heute bereits bei häuslicher Gewalt möglich sind – können als konkrete Massnahmen das Ausmass an sexualisierter Gewalt in unserer Gesellschaft mindern.» Zahlen aus Zürich und Basel belegen eine signifikant tiefere Rückfallquote bei Tatpersonen, die in einer Gewaltberatung waren oder an einem Lernprogramm teilgenommen haben.
«Wir dürfen nicht aus den Augen verlieren, dass die Bekämpfung sexualisierter Gewalt immer auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig stattfinden muss», sagt Tamara Funiciello. «Täter:innenarbeit ist dabei ein Schlüsselelement.» Weitere wichtige Massnahmen sind die Sicherung von Ressourcen für Präventionskampagnen, Beratungsstellen und Schutzunterkünfte sowie Bildung von Strafbehörden und allen weiteren Berufsgruppen, die mit Betroffenen sexualisierter Gewalt arbeiten.
Verpasste Chance: «Nur Ja heisst Ja» muss ins Gesetz
Zu bedauern ist derweil, dass sich die RK-S erneut gegen die Zustimmungslösung ausspricht, auch wenn sie sich beim Tatbestand dem Nationalrat angenähert hat. «Das ist eine verpasste Chance», sagt Tamara Funiciello. «Der Ständerat muss in der Frühjahrsession dem Nationalrat folgen und diese Selbstverständlichkeit ins Gesetz schreiben.» Die Zustimmungslösung geht davon aus, dass Sex die Zustimmung aller Beteiligten braucht. Das heutige Strafrecht wie auch die «Nein heisst Nein»-Lösung hingegen gehen davon aus, dass der Körper so lange für andere zugänglich ist, bis sich Betroffene entweder aktiv dagegen wehren oder «Nein» sagen beziehungsweise signalisieren.