45 % der Familien zahlen heute gar keine Bundessteuer, sie sind von jeder Wirkung dieser Vorlage schon einmal per Definition ausgeschlossen. Notabene exakt jene Familien also, die eine echte Familien- und Sozialpolitik am nötigsten hätten.
Bei jenen, die «in den Genuss» der Wirkung dieses Abzugs kommen, ist der Effekt sehr ungleich verteilt:
- Auf das erste Drittel entfällt gerademal 0.6 % der Gesamtwirkung.
- Auf die steuerbaren Einkommen zwischen 50’000 und 75’000 Franken entfallen nicht einmal weitere 10 %.
- Auf weitere 20 % mit steuerbaren Einkommen bis 100’000 Franken entfallen 20 % der Wirkung.
- Zusammengezogen bedeutet das, dass über 82 % aller Haushalte knapp 30 % der Gesamtentlastung spüren werden.
- 70 % des beschlossenen Reichenbonus gehen an 21,8 % der höchsten Einkommensklassen. Der Effekt dieser Vorlage ist einzig, dass die verfassungsmässige Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit – also die Steuerprogression – weiter abgeschwächt wird.
Sehr illustrativ ist denn auch die von der Steuerverwaltung ESTV berechnete Wirkung auf Modellhaushalte.
- Einverdienereherpaare mit zwei Kindern sparen bis zu einem Bruttoeinkommen von 170’000 Franken weniger als 500 Franken. Die volle Wirkung des Abzugs (910 Franken) stellt sich erst bei einem Einkommen von 200’000 Franken und mehr ein.
- Besonders absurd ist der reale Effekt auf die Beschäftigungsanreize, wenn man den schon damit argumentieren wird. Gerade bei Zweiverdienerehepaaren mit zwei Kindern verschiebt sich der Effekt auf noch höhere Einkommen: Hier müssen Sie bereits 300’000 Franken brutto verdienen, um in den Genuss des maximalen Abzugs zu kommen.
- Stossend ist nicht zuletzt die Wirkung auf Konkubinatspaare mit zwei Kindern: Hier sind bereits brutto 300’000 Franken Einkommen nötig, um auf einen Abzug von 500 Franken zu kommen. Der Maximalabzug stellt sich erst bei 1 Million Franken (sic!) Bruttoeinkommen ein. Es wäre nicht falsch anzufügen, dass die Vorlage nicht nur einen Reichenbonus einführt, sondern auch eine Konkubinatsstrafe.
Tatsächlich reiht sich die Vorlage in die allgemeine Tendenz der letzten vier Jahre ein: Während mit Verweis auf die finanzpolitischen Engpässe Leistungen gestrichen werden – zum Beispiel die individuelle Prämienverbilligung (IPV) – ist das Geld plötzlich da, wenn es für Steuerabzüge für die Reichen verwendet werden soll.
Besonders ironisch ist mit Blick auf die eben zu Ende gegangene Session die familienpolitische Argumentation: Die Exakt gleiche Mehrheit hat nur eine Woche vor dieser Vorlage mit Verweis darauf, es koste zu viel, die Initiative für einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub abgelehnt. Tatsächlich aber bewegten sich deren Kosten genau im Rahmen der vorliegenden Vorlage (ca. 400 Mio. Franken). Für die Familien ist das Geld offenbar nicht da, für die Reichen schon.
Fazit: Diese Vorlage führt zu einer Verteilungswirkung von unten nach oben (irgendjemand wird die 350 Mio. Franken durch Leistungsabbau wieder finanzieren dürfen). Schaut man sich an, wie – ich erlaube mir als Mitglied der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates (SPK-N) diese Bemerkung – staatspolitisch hochgradig fragwürdig diese Vorlage gegen alle gängigen Spielregeln durchgedrückt wurde, wird man den Verdacht nicht los, dass die CVP-FDP-SVP Mehrheit weniger die Familien vor Augen hatte, als a) den 20. Oktober und b) sich selber und die Portemonnaies der eigenen Klientel. Diese Parteien fürchten offensichtlich das Ende ihrer Dominanz im Parlament.
Das Referendum gegen diesen unnötigen Steuerbonus für reiche Eltern kann hier unterschrieben werden.