Sozialhilfe wirkt – und fördert die Chancengleichheit

«Einmal Sozialhilfe, immer Sozialhilfe», oder: «Die Sozialhilfe schafft gerade bei jungen Erwachsenen falsche Anreize», lauten gängige Vorurteile in der politischen und medialen Debatte rund um die Sozialhilfe. Eine Studie der Städteinitiative Sozialhilfe hat auf Basis von Daten des Bundesamtes für Statistik erstmals in einem langjährigen Verlauf die Entwicklung bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen untersucht. Das Ergebnis verblüfft – und widerlegt die Vorurteile eindrücklich.

Die Sozialhilfe ist eines jener Themen, die in Politik, Medien und Öffentlichkeit prominent, emotional und kontrovers diskutiert werden. Häufig werden politische Forderungen, etwa Gesetzesanpassungen oder Leistungsabbau mit den Diskussionen verknüpft. Nicht selten haben diese wenig Bezug zu Fakten und statistischen Kennzahlen. Aus diesem Grund ist es umso wichtiger, dass die Städteinitiative Sozialpolitik, der 60 Städte angehören und die eine Sektion des Schweizerischen Städteverbandes ist, regelmässig ihren Kennzahlenbericht publiziert und damit fundierte Inputs in laufende Diskussionen einbringen kann.

So gibt es die These: «Einmal Sozialhilfe, immer Sozialhilfe». Viele gehen davon aus, dass Sozialhilfe eine dauerhafte Unterstützungsleistung des Staates sei und dass die grosse Mehrheit der Bezüger/innen in der Sozialhilfe bleibt, wenn sie einmal drin ist. Manchmal liest sich dieses Vorurteil auch so: «Diese Menschen beziehen lieber Sozialhilfe als zu arbeiten; sie haben keinen Anreiz, arbeiten zu gehen.» Gerade in der jüngsten Vergangenheit fokussierte diese Argumentation auf Jugendliche und junge Erwachsene: So lange die Sozialhilfe für diese Klientel nicht drastisch gekürzt werde, so die These, hätten diese keine Motivation, von der Sozialhilfe unabhängig zu werden.

Dieses gängige Vorurteil stimmt nicht. Der neu präsentierte Kennzahlenbericht der Städteinitiative Sozialpolitik konnte dank neuen Daten des Bundesamtes für Statistik (BFS) erstmals untersuchen, wie sich die Situation von Sozialhilfe beziehenden Jugendlichen im Zeitverlauf verändert. Betrachtet wurden alle 17-Jährigen, die 2010 in den untersuchten 14 Städten unterstützt wurden. Wie viele von ihnen würden in den nächsten Jahren die Ablösung aus der Sozialhilfe schaffen? Es handelte sich also um Jugendliche, deren Eltern damals auf Sozialhilfe angewiesen waren und die – würde die These der fehlenden Motivation zutreffen – dauerhaft in der Sozialhilfe verbleiben müssten.

Das tun sie aber nicht. Betrachtet man diese Risikogruppe der 17-jährigen Sozialhilfebeziehenden in den folgenden sieben Jahren, so bezogen lediglich acht Prozent von ihnen dauerhaft Sozialhilfe. Viele schafften vorübergehend oder dauerhaft den sozialen Aufstieg: Über drei Viertel, 76 % der Risikogruppe, waren im Alter von 23 Jahren nicht mehr auf

Sozialhilfe angewiesen. Mit den aktuell gültigen Unterstützungsrichtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) und den bestehenden Instrumenten und Programmen gelingt es also den Sozialarbeitenden in den Städten, die überwiegende Mehrheit der Jugendlichen aus der Sozialhilfe abzulösen. Dieser Effekt zeigt sich bei allen Jugendlichen. Doch was noch mehr verblüfft hat: Ganz besonders deutlich ist diese Integrationsfähigkeit bei ausländischen Jugendlichen!

Wir kennen die Risiken, die in die Sozialhilfe führen. Wir wissen aber auch: Bildung ist die effektivste Prävention gegen Armut. Gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen müssen wir alles daran setzen, dass Berufsabschlüsse ermöglicht werden. In jenen Kantonen, in denen Stipendien (noch) nicht existenzsichernd sind, muss wohl oder übel die Sozialhilfe diese Aufgabe übernehmen. Dies wird mancherorts ein Umdenken bedingen: Nicht die schnelle Ablösung von der Sozialhilfe in einen prekären Job ist dann das Ziel, sondern die nachhaltige Bekämpfung von Armut dank Ausbildung. Denn bei jenen acht Prozent der jungen Menschen, die über den gesamten Untersuchungszeitraum nicht von der Sozialhilfe abgelöst werden konnten, verfügten fast 90 Prozent über keine abgeschlossene Ausbildung.

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