Der Atomunfall in Tschernobyl hat mich als Jugendliche 1986 politisiert. 1987 erlebte ich die berüchtigte Tschernobyl-Demo in Bern. Die damals bürgerlich dominierte Stadtregierung ertränkte diese Kundgebung im Tränengasnebel, dazu kamen zahlreiche Verletzte. Das politische Klima war verhärtet und dies galt ganz besonders für die Frage des Atomausstiegs. Seither sind 30 Jahre vergangen. Spätestens seit dem Reaktorunglück in Fukushima 2011 ist sehr vielen klar geworden, dass solche Unglücke auch in modernen Industriestaaten geschehen können.
Die Stadt Bern wird seit 1992 von einer RotGrünMitte-Koalition regiert. Diese hat den Atomausstieg und damit die Energiewende bereits beschlossen und setzt die Energie- und Klimastrategie 2025 konsequent um. Dazu gehören der Ausstieg aus der Atomenergie, die Minderung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen im Gebäudebereich sowie der Ausbau der erneuerbaren Energien. Bern setzt auf auf Energieeffizienz, Solarenergie und Erdwärme. Die dezentrale Stromversorgung wird ausgebaut. Wir arbeiten daran, dass EnergieWasserBern (ewb) ausschliesslich Strom aus erneuerbaren Energien liefert. Das nur 14 Kilometer von der Stadt Bern entfernte Atomkraftwerk Mühleberg wird 2019 abgestellt und rückgebaut.
Bern ist damit nicht alleine. Die meisten anderen grösseren Städte in diesem Land setzen wie die grosse Mehrheit ihrer Bevölkerung längst auf den Atomausstieg. Das ist auch kein Wunder: Die vier grössten Deutschschweizer Städte Zürich, Basel, Bern und Winterthur liegen alle im Gefahrengebiet, also im näheren Umkreis alter Schweizer AKWs. Das ist ein Gefahrenpotenzial und ein Sicherheitsrisiko, dem sich die Bewohnerinnen und Bewohner dieser Ballungsräume nicht aussetzen mögen.
Die Volksinitiative schafft klare Verhältnisse – daran hat normalerweise auch die Wirtschaft Interesse. Der geordnete Ausstieg aus der Atomenergie gibt Rückenwind für den Ausbau neuer Energiesysteme. Dies schafft Innovationen und neue Arbeitsplätze. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass eine Energiewende und die Hinwendung zu Cleantech viele attraktive lokale Arbeitsplätze bei uns in der Schweiz zur Folge hätte.
Wird die Initiative angenommen, müsste die Schweiz Ende 2029 das letzte Atomkraftwerk in Leibstadt vom Netz nehmen. Bis dahin sind die erneuerbaren Energien genügend stark, um die Stromversorgung zu sichern. Ohne ein Ja zur Ausstiegs-Initiative werden die Erneuerbaren in ihrer Entwicklung womöglich gebremst. Nicht von ungefähr empfehlen auch die Bündner Ja zur Initiative. Der geordnete Atomausstieg stärkt auch die Schweizer Wasserkraft.
Was für die Städte heute schon klar ist, soll möglichst rasch fürs ganz Land gelten: setzen wir auf eine sichere Energieversorgung, auf Erneuerung und Innovation. Lassen wir uns von der faktenfernen Angstmacher-Kampagne der Atom-Lobbyisten nicht verunsichern und sehen sie als das was sie ist, ein letztes Rückzugsgefecht für eine unzeitgemässe Technologie.