Nach der Freigabe des Frankenkurses jubelte die SVP. Der Präsident des Direktoriums der Nationalbank, Thomas Jordan, wurde zum Patrioten einer (EU-)unabhängigen Schweiz hochstilisiert und auf der Titelseite der Weltwoche abgefeiert. Dann wandte sich die SVP wieder der Hatz auf Flüchtlinge zu, vorab auf Menschen aus Eritrea, einem Land, das sich schrittweise zu einem grossen Gefängnis verwandelt hat, in dem die Männer während Jahrzehnten Militärfrondienst leisten müssen. Das geschah auch aus wahltaktischen Gründen, um vom enormen Schaden abzulenken, den die hochgejubelte Preisgabe des Mindestkurses inzwischen der Schweizer Wirtschaft zugefügt hat.
SVP-Rezession gefährdet Unternehmen und Arbeitsplätze
Wir werden uns in den nächsten Wochen mit Vorteil neben der Verteidigung der Rechte der Flüchtlinge auch den Auswirkungen des Fehlentscheides der Nationalbank widmen. Fast täglich erreichen uns negative Meldungen aus der Wirtschaft. Nicht zum ersten Mal haben Seco, KOF und Co. die Auswirkungen eines zu starken Frankens unterschätzt. Die Schweiz muss sich mit Bayern und Baden-Württemberg vergleichen. Diese vergleichbar grossen und wirtschaftlich ähnlich starken deutschen Bundesländer boomen, während in der Schweiz die SVP-Rezession Unternehmen und Arbeitsplätze zerstört.
Die jüngsten konkreten Beispiele zeigen die SVP-Schadensbilanz in der Schweiz.
- Tui ist weltweit der grösste Reiseveranstalter. Eine seiner Produktlinien sind die Robinson-Hotels. Auch der Schweizerhof – das Robinson-Hotel in Vulpera – war dank der Vermarktungsmacht und den Vermarktungsmöglichkeiten immer gut ausgelastet. Tui wird den Robinson-Club in Vulpera nur noch einen Winter lang weiterführen, und das auch nur, weil die Bergbahnen und die Gemeinden Tui subventionieren.
- Der Kanton Schwyz ist eine SVP-Hochburg. Dank und mit Rothenthurm wurden die Moorlandschaften der Schweiz gerettet. Aufgeben muss in Rothenthurm der topmoderne Möbelhersteller Schuler. Weil er nach der Freigabe des Frankenkurses nicht mehr konkurrenzfähig sein kann.
Das sind nur zwei Beispiele von vielen. Und es werden in den kommenden Tagen und Wochen immer mehr.
Die Kritik an der SNB-Führung nimmt zu
Bisher haben politisch nur die SP und die Gewerkschaften offensiv die Wiedereinführung eines Mindestkurses von mindestens 1.20 Franken gefordert. Aber die Kritik an der SNB-Führung hat zugenommen:
- Der emeritierte Basler Professor Peter Bernholz hat die Anbindung des Franken an einen Währungskorb von Euro und Dollar gefordert. Er erachtet die Glaubwürdigkeit der SNB als stark beschädigt.
- Auch der den Gewerkschaften nahestehende deutsche Wirtschaftsweise Prof. Peter Bofinger hat am Swiss Economic Forum die Aufgabe des Mindestkurses kritisiert.
- Die Bilanz kritisierte bereits früh: «Die Rezession kommt – und alle sehen zu». Die Verantwortung ortete sie klar bei der verfehlten Politik der Nationalbank.
- Die Stimmung beginnt vor allem in der Wirtschaft zu kippen. Hart getroffen von der Frankenaufwertung sind die Maschinenindustrie, der Tourismus, der Detailhandel und neuerdings auch die bislang krisenresistenten Branchen wie die Life Sciences und die Nahrungsmittelindustrie.
In der Zwischenzeit versucht die Schweizer Nationalbank offensichtlich, heimlich einen neuen Mindestkurs zu verteidigen. Sonst wäre der Franken während der absichtlich provozierten Bankenschliessungen in Griechenland stärker als der Euro gewesen. Wir haben während der akuten Wirren um Griechenland einen neuen informellen Mindestkurs von 1.04 Franken erlebt. Jetzt pendelt er gegen 1.08 in Richtung 1.10. Das ist allerdings noch weit von der Kaufkraftparität entfernt.
Ohne Mindestkurs wird diese kaum zu erreichen sein. Die alternativen geldpolitischen Instrumente sind faktisch wirkungslos:
- Der Negativzins verursacht bei einer wirksamen Höhe in der Binnenwirtschaft nicht absehbare Kollateralschäden.
- Kapitalverkehrskontrollen bedürften eines politischen Beschlusses.
- Devisenmarkt-Interventionen ohne formellen Mindestkurs können den Aufwertungsdruck nicht stoppen.
Die Dänen haben anfangs Jahr den Angriffen der Währungsspekulanten auf die dänische Krone erfolgreich getrotzt. Sie haben nicht nur ihren Mindestkurs verteidigt, sondern bauen ihre Währungspositionen in der Zwischenzeit schon wieder ab. Anders die SNB-Spitze. Sie haben die Spekulanten auf den Schweizer Franken gehetzt. Und müssen jetzt wieder Geld drucken, damit wir nicht in eine zu tiefe SVP-Rezession rutschen.
Wer A sagt, muss nicht B sagen. Wer einen Fehler gemacht hat, muss ihn nicht wiederholen. Der Bundesrat wird für eine glaubwürdige SNB-Spitze sorgen müssen. Ihr Präsident, Thomas Jordan, und sein Vizepräsident, Fritz Zurbrügg, haben ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Wir brauchen eine Währung, die dem Standort Schweiz nützt und nicht schadet.
SVPler versuchen sich abzusetzen
Das merken nun auch einige in der SVP. Mit den wirtschaftlichen Schäden werden in der SVP Risse sichtbar. Die SVP-Nationalräte Alfred Heer und Ueli Giezendanner halten wenig bis nichts vor der faktenfreien Anti-Eritrea-Kampagne. Es gäbe wichtigere Themen wie den zu starken Schweizer Franken, sagen sie. Und ausgerechnet in der SVP-nahen Basler Zeitung rechnete am Dienstag 11. August Bruno Müller-Schnyder kenntnis- und faktenreich mit der Politik der Nationalbank ab. Obertitel: «Die Aufhebung des Euro-Mindeskurses hat die Geldpolitik in die bisher grösste Krise geführt». Titel: «Enormer Schaden für die Schweiz».
Die Schadensbilanz der Freigabe des Mindestkurses wird täglich grösser. Wir müssen verhindern, dass sich die rechten verantwortungslosen Wischi-Waschi-Politiker nun auch noch ungestraft aus dem Staub machen können.
Staatsfonds für den ökologischen Umbau der Schweiz
Und zum Schutz der Schweizer Wirtschaft braucht es nicht nur einen neuen Mindestkurs für den Franken mit Anbindung an den Euro oder einen Währungskorb mit Euro und Dollar. Ein Teil der bei der Nationalbank aufgehäuften Mittel könnte auch sinnvollerweise eingesetzt werden, um einen Staatsfonds für zukunftsweisende Investitionen zu äufnen.