Votum der Thurgauer SP Grossrätin und Ständeratskandidatin Nina Schläfli zum kantonalen Steuergesetz. Mehr Infos hier.
Durch die Annahme der STAF im Mai 2019, in der die Steuerprivilegien für Statusgesellschaften endlich abgeschafft wurden, muss das kantonale Steuergesetz an das neue Bundesgesetz angepasst werden. Den meisten Punkten der Botschaft, die von Regierungsrat und der zuständigen Kommission vorgelegt wurde, kann die Thurgauer SP-Fraktion nichts abgewinnen. Drei Hauptgründe führten zu dieser Haltung:
Erstens: die Senkung der Gewinnsteuern von 4 auf 2.5%: Diese massive Steuersenkung ist nicht nachvollziehbar, die SP hält sie gar für verantwortungslos sowie nicht nachhaltig und bevorzugt eine kostenneutrale Umsetzung der Vorlage mit einem Gewinnsteuersatz von 3.5%.
Die Senkung der Gewinnsteuern von 4 auf 2.5% entspricht einer faktischen Steuersenkung um 37.5%. Die aus der Senkung resultierenden Nettomindereinnahmen, die beschönigende Bezeichnung für Steuerausfälle, belaufen sich für den Kanton und die Gemeinden auf 45 Millionen Franken. In seiner Botschaft spekuliert der Regierungsrat, dass die Einnahmeausfälle keine spürbaren Konsequenzen für den Staatshaushalt haben dürften – sofern die Rechnungsabschlüsse weiterhin so gut sein werden wie im Jahr 2018. Die guten Rechnungsabschlüsse sind das Resultat einer rosigen konjunkturellen Lage, gehen aber auch auf zwei bittere Spar- und Abbaupakete der letzten Jahre zurück.
Betrachten wir zusätzlich noch die finanzielle Situation der Gemeinden – sie tragen schliesslich die Hälfte der Steuerausfälle -, so werden die Aussichten deutlich düsterer. Können alle Gemeinden die Steuerausfälle ohne Steuerfusserhöhungen verkraften? Bestimmt nicht. Besonders betroffen sind vor allem Gemeinden, die sowieso schon einen vergleichsweise hohen Steuerfuss haben, dass zeigen schon ihre besorgten Vernehmlassungsantworten.
Stichhaltige Argumente für einen derart tiefen Gewinnsteuersatz von 2.5% fehlen. Es gibt im Kanton Thurgau eine vergleichsweise geringe Anzahl Statusgesellschaften, deswegen hinkt auch der wiederholt angeführte Vergleich mit dem Kanton Schaffhausen. Wir würden uns bei der Wahl des Gewinnsteuersatzes viel besser an den anderen Nachbarkantonen St. Gallen und Zürich orientieren. Denn so heizen wir ohne Not den interkantonalen Steuerwettbewerb weiter an und beteiligen uns aktiv an der Zerstörung von Steuersubstrat.
Mit dem von der SP vorgeschlagenen Steuersatz von 3.5% würden die Gewinnsteuern immer noch merklich gesenkt. Dieser Steuersatz hätte aber den Vorteil, dass er nicht so konjunkturanfällig ist – es sei hier an das Ziel einer Steuerglättung erinnert. Darüber hinaus wäre eine kostenneutrale Umsetzung der Revision möglich, weil die 16 vom Bund zur Verfügung gestellten Millionen die Steuerausfälle bei Kanton und Gemeinden praktisch decken würden. Theoretisch könnten wir dann auch auf alle Entlastungs- und «sozialen» Ausgleichsmassnahmen verzichten.
Zweitens: die fehlenden echten Gegenfinanzierungsvorschläge: Die in der Vernehmlassung angekündigte Reduktion des Teilbesteuerungsabzuges wurde in der Botschaft des Regierungsrates unverständlicherweise wieder zurückgenommen. Das widerspricht dem Grundsatz der rechtsformneutralen Besteuerung; der Grundsatz besagt, dass Personenunternehmungen und Kapitalgesellschaften unabhängig von ihrer Rechtsform ungefähr eine gleiche Steuerlast zu tragen haben sollten. Ein weiteres millionenschweres Steuergeschenk an die sowieso schon durch die Gewinnsteuersenkung massiv entlasteten Unternehmen. Denn auch hier gilt: Nur Unternehmen, die auch einen Gewinn schreiben, können Dividenden ausschütten. Und das ist der weitaus kleinere Teil der Unternehmen im Kanton.
Weitere Gegenfinanzierungsmassnahmen wurden gar nicht erst geprüft. Auf unseren Vorschlag, die Buchprüfungen bei juristischen Personen zu erhöhen, trat der Regierungsrat nicht ein. Andere Kantone und der Bund machten damit sehr gute Erfahrungen, aber im Kanton Thurgau soll ein Unternehmen weiterhin rein statistisch betrachtet nur alle 36 Jahre in die Steuerrevision. Auch hier: verschenkte und tatsächlich geschuldete Steuererträge in Millionenhöhe.
Drittens: die vorgeschlagenen «sozialen» Ausgleichsmassnahmen sowie deren Umfang und Ausgestaltung: Wir haben erstens die Erhöhung des Kinderfrembetreuungskostenabzuges auf über 10’000 Franken. Eine Massnahme, die im Grossen Rat schon unabhängig von der Revision des Steuergesetzes beschlossen wurde. Zweitens die Erhöhung des Versicherungsprämienabzuges um ca. 400 Franken pro Person, was insgesamt zu zusätzlichen stolzen Steuerausfällen von über 12 Millionen Franken führt. Hätten wir die 12 Millionen in die individuelle Prämienverbilligung gesteckt, dann wäre diese Massnahme tatsächlich sozial und käme den Personen zu Gute, die wirklich unter der steigenden Last der Krankenkassenprämien leiden. So entlasten wir auch unzählige Reiche, die ihre Prämien problemlos berappen könnten.
Als sozial geht allenfalls auch noch die minime Erhöhung der Ausbildungszulage um 30.- durch. Die einzige Massnahme übrigens, an der sich die so stark entlasteten Unternehmen beteiligen müssen. Aber anstatt konsequenterweise auch die tiefen Kinderzulagen zu erhöhen, wurden Steuergutschriften auf den Steuerbetrag eingeführt. Steuergutschriften sind ein sehr taugliches und soziales Werkzeug, aber wir sprechen hier von 100 Franken pro Kind und Jahr. Gegenüber den 360 Franken mehr Kindergeld ist auch das ein bisschen wenig sozialer Ausgleich.
Alle weiteren Ausgleichsmassnahmen sind eigentlich Entlastungsmassnahmen für die Gemeinden und wurden auch schon zum Teil von diesem Rat beschlossen und treten bald unabhängig von diesem Steuergesetz in Kraft.
Insgesamt sind die geplanten «sozialen» Ausgleichsmassnahmen absolut ungenügend oder werden sowieso bald unabhängig von der Steuerrevision in Kraft gesetzt werden.
Die ganze Botschaft wird von den rechtsbürgerlichen Fraktionen in Anlehnung an die nationale STAF-Vorlage als ausgewogener Kompromiss oder als Gesamtpaket verkauft. Wenn hier überhaupt von einem Kompromiss gesprochen werden kann, dann von einem zwischen dem Regierungsrat, den rechtsbürgerlichen Parteien und den dazugehörigen Verbänden. Bleibt die Vorlage ohne eine deutliche Erhöhung des Gewinnsteuersatzes und eine sozialere Ausgestaltung der Ausgleichsmassnahmen, so wird die SP-Fraktion die 61 Millionen teure Botschaft ablehnen und mittels Referendum bekämpfen.