Steuerhinterziehung: 30 Milliarden fehlen in den Kassen

Bislang gab es kaum Daten und Fakten zum Ausmass der Steuerhinterziehung in der Schweiz. Dabei ist das Problem gewaltig: Jahr für Jahr entgehen uns Milliarden Franken an Steuereinnahmen. Geld, das nachher bei der Bildung, beim Umbau unserer Energieversorgung, beim ÖV oder im Sozialwesen fehlt und mit unsozialen Sparprogrammen wieder reingeholt werden muss.

In der Schweiz werden politische Tabus meist nur kleinlaut und im Hinterzimmer gebrochen. So geschah es anfänglich mit der Aufarbeitung der Bankenkollaboration mit den Nazis oder mit dem Bankgeheimnis. Klammheimlich hat der Bundesrat vor wenigen Wochen praktisch unbemerkt von der Öffentlichkeit ein weiteres politisches Tabu gebrochen. Bis vor kurzem war Steuerhinterziehung für die offizielle Schweiz eigentlich nur ein Problem des Auslands – bei uns gab es sowas nicht.

Die Schweiz bestand nach offizieller Lesart ausschliesslich aus ehrlichen Steuersubjekten. In seinem 170 Seiten starken Zusatzbericht zur geplanten Unternehmenssteuerreform III klingt es aber auf Seite 63 plötzlich anders – natürlich schön verpackt in Beamtendeutsch. Der Bundesrat wolle die Zahl der Steuerinspektoren bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung ESTV bis 2018 schrittweise um 75 Stellen «erhöhen» (eigentlich wird damit nur der Status quo Mitte der Nullerjahre wieder hergestellt, seither wurden nämlich genau so viele Stellen bei der ESTV abgebaut). Bahnbrechend ist die Begründung: Der Bundesrat tue dies, weil mit mehr Steuerinspektoren und mehr Steuerkontrollen mehr bisher unversteuertes Geld entdeckt werden könne. So will der Bundesrat ab dem Jahr 2019 jährlich wiederkehrend 250 Millionen mehr einnehmen (und das bei der Annahme, die Steuereinnahmen würden tendenziell zurück gehen!).

Auf Normaldeutsch übersetzt heisst das nichts anderes, als dass der Bund bisher auf Millionen von ihm zustehenden Steuereinnahmen verzichtet hat – weil Steuerhinterzieherinnen und Steuerhinterzieher schlicht nicht ausreichend kontrolliert wurden. Die Dummen sind dabei die ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, wir dürfen die Hinterziehungsorgien mit unseren Steuern und mit Leistungsabbau ausgleichen.

Steuerhinterziehung (k)ein Schweizer Problem!

Offen bleibt nach wie vor, wieviel Geld in der Schweiz tatsächlich von natürlichen Personen und Firmen am Fiskus vorbei geschmuggelt wird. Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Zahl nicht bekannt ist. Allerdings gibt es Möglichkeiten, diese Volumen zu schätzen. Im Auftrag der Fraktion der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament hat nun die NGO Tax Research UK das Ausmass der Steuerhinterziehung und der Steuervermeidung in der EU geschätzt. Der geht davon aus, dass jeder hinterzogene Franken irgend einmal ausgegeben oder angelegt werden muss. Deshalb kann anhand des Ausmasses der Schattenwirtschaft geschätzt werden, wie viele Steuern und Zwangsabgaben dem Staat entgehen.

Unter Steuerhinterziehung verstehen die Europäerinnen und Europäer – wie die ganze Welt ausser der Schweiz – sowohl Steuerbetrug (d.h. wenn die Steuerbehörde aktiv getäuscht wird; z.B. durch Einreichung gefälschter Unterlagen) als auch Steuerhinterziehung (wenn z.B. ein Konto auf der Steuererklärung «vergessen» wird). Unter Steuervermeidung werden dabei Praktiken verstanden, mit denen versucht wird, «legale» Schlupflöcher auszunutzen. Leider bezieht die Studie die Schweiz nicht mit ein, deshalb habe ich die Zahlen für die Schweiz auf einer vergleichbaren Basis geschätzt.

Ein Loch von fast 30 Milliarden – wir sind guter europäischer Durchschnitt

Die Resultate sind gewaltig: Schätzungsweise satte 21.4 Milliarden Schweizer Franken an Steuern werden in der Schweiz jedes Jahr hinterzogen Das sind fast 3000 Franken pro Kopf. Fast noch erstaunlicher ist, dass auch das Bild der im internationalen Vergleich besonders steuerehrlichen Schweiz revidiert werden muss. Tatsächlich bewegt sich die Schweiz im Pro-Kopf-Vergleich (2703 Franken) auf einer Stufe mit Deutschland (2586 Franken). Als Steuerhinterziehungsparadiese verschriene Länder wie Spanien (1977 Franken), Griechenland (1993 Franken) oder Frankreich (2520 Franken) fahren in diesem Vergleich besser. Hinzu kommen – je nach Annahmen – 2.1 bis 7.4 Milliarden Franken an vermiedenen Steuern (diese Zahl ist weit schwieriger zu schätzen).

Insgesamt bezahlen also heute die ehrlichen SteuerzahlerInnen in der Schweiz mindestens 23,5 Milliarden Franken zu viel an Steuern. Auch das liegt im europäischen Mittelfeld. Gemessen an den gesamten Steuereinnahmen aller drei Staatseben werden bei einer mittleren Annahme ganze 15.8% hinterzogen oder vermieden. Damit sind wir in bester Gesellschaft mit Frankreich (15%), Deutschland (16%) oder Irland (15.8%); Holland (13.2%), Grossbritannien (12.5%), und Österreich (9.7%) schneiden sogar besser ab.

Steuerhinterziehung konsequent verfolgen, Schlupflöcher stopfen, Bankgeheimnis abschaffen!

Insgesamt klafft also ein Loch von 23,5 bis 28,9 Milliarden Franken in der Staatskasse. Zum Grössenvergleich: Mit konsequenter Steuerkontrolle und der längst überfälligen Stopfung der Steuerschlupflöcher käme so innert 7 bis 9 Jahren ein Betrag zusammen, der ausreichen würde, um die gesamten Schulden aller drei Staatsebenen auf einen Schlag zu begleichen. Mit den zusätzlichen Einnahmen würden zudem enorme Mittel frei für anstehende Aufgaben wie die Energiewende, die Bildungsinvestitionen oder den Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Auf jeden Fall aber wirkt angesichts dieser Zahlen (selbst wenn wir zusätzlich noch eine grosszügige Fehlermarge einrechneten) jede Diskussion um die aktuellen Sparanstrengungen lächerlich wie z.B. die Entlastungsmassnahmen im Rahmen des KAP 14 in der Grössenordnung von 700 Millionen.

Bis dahin bleibt uns noch ein weiter Weg. Der längst überfällige Ausbau der Steuerbehörde geht in die richtige Richtung, aber er ist viel zu zögerlich. Die Einführung des Automatischen Informationsaustausches für Bankbeziehungen mit dem Ausland wird ebenfalls helfen, Steuerhinterzieherinnen und Steuerhinterziehern das Handwerk zu legen. Damit kann aber weiterhin Geld in der Schweiz versteckt werden, ohne dass Kanton oder Bund dies merken. Der letzte grosse Brocken wird deshalb die Abschaffung des Bankgeheimnisses im Inland sein. Wenn wir uns vor Augen führen, um welche Milliardenbeträge es nach diesen neusten Schätzungen geht, wird auch klar, weshalb die Finanzlobby erbitterten Widerstand leistet – alle ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler können hingegen nur profitieren.

Ansprechpartner:innen zu diesem Thema

Beitrag teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Animation laden...Animation laden...Animation laden...

Newsfeed

Du hast Fragen zur Mitgliedschaft oder dem Mitgliedschaftsformular? Wir helfen gerne.

Häufige Fragen

Am einfachsten, indem Du online das Beitrittsformular nebenan ausfüllst.

Du kannst selbst entscheiden, welches Engagement für Dich am besten passt.

  • Wenn Du wenig Zeit hast, ist es absolut in Ordnung, wenn Dein Engagement sich vor allem darauf beschränkt, Deinen Mitgliederbeitrag zu bezahlen. Auch das hilft uns sehr, um die Schweiz und die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
  • Die Sektion, bei welcher Du Mitglied bist, wird Dich eventuell hin und wieder anfragen, ob Du Zeit hättest, bei einer Standaktion, einer Unterschriftensammlung oder einer Telefonaktion mitzumachen. Falls Dir das zusagt, sind wir sehr froh darüber – aber es ist natürlich völlig freiwillig.
  • Die meisten Sektionen führen regelmässig Mitgliederversammlungen durch, um die aktuellsten politischen Themen und Aktivitäten zu besprechen. Die Teilnahme daran ist natürlich ebenfalls völlig freiwillig. Aber es kann ein guter Ort sein, um neue Leute kennenzulernen.
  • Falls Dich ein Themengebiet besonders bewegt, kannst Du Dich in einer Themenkommission der SP Schweiz oder Deiner Kantonalpartei engagieren, oder in einer der Unterorganisationen wie den SP Frauen, den SP Migrant:innen, der SP 60+ oder der SP queer.
  • Häufig gibt es auch die Möglichkeit, ein partei-internes Amt, z.B. im Vorstand Deiner Sektion zu übernehmen.
  • Falls Du das möchtest, kannst Du mit Deiner Sektion auch Kontakt aufnehmen, um über eine Kandidatur für eine öffentliches Amt zu sprechen, z.B. in der Schulpflege Deines Wohnortes.

Um unsere Werte verteidigen zu können, braucht es finanzielle Mittel. Die SP ist eine Mitgliederpartei und schöpft ihre Stärke aus dem Engagement ihrer Mitglieder.
Die Mitgliederbeiträge werden von den Kantonalparteien und den Sektionen unterschiedlich festgelegt und sind abhängig von Deinem steuerbaren Einkommen. Wir folgen unseren eigenen politischen Forderungen: Wer wenig verdient, bezahlt wenig, und wer viel verdient, beteiligt sich mehr an den Kosten von Partei und Politik.
In der Regel fallen jährlich je nach Einkommen Kosten zwischen circa 80 und einigen Hundert Franken an. Die Mitgliederbeiträge werden jährlich erhoben.

Ja, selbstverständlich! Du kannst der SP beitreten, ohne den Schweizer Pass zu haben. Denn alle Menschen, die in der Schweiz leben, sollen in der Politik mitdiskutieren können.

Du hast verschiedene Möglichkeiten, Dich einzubringen. Wenn Du an Deinem Wohnort aktiv werden möchtest, wendest Du Dich am besten an die Sektion Deiner Gemeinde oder Deines Quartiers. Diese ist auch die richtige Anlaufstelle für den Einsatz in einem öffentlichen Amt (Gemeinderat, Schulpflege, Sozialbehörde…).
Du kannst Dein Wissen und Können auch innerhalb der Partei einbringen. Die SP sucht immer Leute, die sich in der Parteiorganisation engagieren (Gemeinde, Bezirk, Kanton, Themenkommissionen).

Melde Dein Interesse bei den Verantwortlichen Deiner Ortssektion an. Die Sektion nominiert SP-Kandidierende für öffentliche Ämter, sei dies für den Gemeinderat oder die lokalen Schul-, Sozial- oder Finanzbehörden. Die Ortssektion bildet oft auch für Ämter auf übergeordneter Ebene (Kantons- oder Grossrat) den Ausgangspunkt des parteiinternen Nominationsprozesses.

Abgesehen von der Zahlung des jährlichen Mitgliederbeitrags gehst Du keine Verpflichtungen ein. Voraussetzung für den Beitritt ist eine inhaltliche Nähe. Dies bedingt jedoch nicht, dass Du in allen Fragen mit der SP gleicher Meinung sein musst.

Die Statuten der SP Schweiz verbieten die gleichzeitige Mitgliedschaft in mehreren Schweizer Parteien.
Doppelbürger:innen können Mitglied der SP Schweiz und Mitglied einer ausländischen Schwesterpartei sein, beispielsweise der deutschen SPD oder des italienischen Partito Democratico. Die Mitgliedschaft bei der SP Schweiz ist für Angehörige von Schwesterparteien gratis, sofern sie belegen können, dass sie in ihrem Heimatland Mitgliederbeiträge an eine Sozialdemokratische Partei entrichten.

Ja. Auch im Ausland kannst du dich als Mitglied der SP Schweiz in die Politik einbringen. Wenn Du Deinen Wohnsitz im Ausland hast, wirst du automatisch Mitglied der SP International.

Für JUSO-Mitglieder besteht bis zum Alter von 26 Jahren die Möglichkeit einer kostenlosen SP-Mitgliedschaft. Ein entsprechender Antrag kann per Mail an [email protected] gestellt werden.

Das bietet Dir die SP

Was Du von der SP erwarten darfst.

Du bist nah dran an der Politik: Wir schicken Dir unsere Aufrufe, Newsletter sowie sechs Mal jährlich unser Mitgliedermagazin „links“. Du kannst Dich mit Gleichgesinnten vernetzen.

Du kannst von andern lernen und Dich mit Deinem Wissen und Können auf verschiedenen Ebenen in der Partei einbringen.
Gemeinsam schaffen wir eine bessere Zukunft!

Keine Demokratie ohne Bildung. Wir bieten Dir Webinare und Seminare zu Hintergrundwissen und aktuellen politischen Themen.