Mit andauernden Kampfhandlungen verletzen alle Seiten die von der Schweizer Diplomatin Heidi Tavaglini 2014 ausgehandelten Minsker Abkommen sowie das humanitäre Völkerrecht. Die Ukraine ist eines der am stärksten verminten Länder der Welt. Sie verzeichnet seit drei Jahren weltweit am meisten Minenopfer sowie nach Afghanistan und Syrien am meisten Kriegsopfer.
Mit bloss fünf Übergängen auf der über 400 km langen Frontlinie wird die Bewegungsfreiheit der Bevölkerung krass eingeschränkt. Bei grösster Hitze und Kälte müssen die pensionierten Menschen aus dem Donbass alle zwei Monate 1,5 km zu Fuss die prekäre Fussgängerbrücke bei Stanytsia Luhanska überqueren und sich zudem als «intern Vertriebene» registrieren lassen, um ihre Altersrente von 50 Euro pro Monat weiterhin zu erhalten. Monatlich gibt es 150 bis 200 Personen, die auf dieser Brücke kollabieren – und keine Ambulanz hat Zugang. 2019 wurden allein im von der Regierung kontrollierten Gebiet bereits 11 Todesfälle registriert.
Zerstörte Brücke bei Stanytsia Luhanska (Bild: PV OSZE)
Daher riefen wir vom PV OSZE-Menschenrechtsausschuss anfangs Juni öffentlich alle Beteiligten auf, diese Brücke umgehend zu reparieren sowie weitere Brücken zu entminen, zu sanieren und wieder für den Verkehr freizugeben. Am 7. Juli 2019 rief ich den slowakischen Vorsitz der OSZE, Herrn Aussenminister Miroslav Lajčák, sowie alle Beteiligten an der Sommerkonferenz der PV OSZE dazu auf, sich mit mehr Gewicht und Priorität gegen diesen Krieg zu engagieren. Aussenminister Lajčák sicherte zu, Budget und Projekt für die Instandsetzung dieser Brücke seien vorhanden. Also los!
Kürzlich brachte die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) ihren zehnten Konvoi von 140 Lastwagen mit 410 Tonnen humanitärer Hilfe in die Ostukraine. Die Schweiz verteilte auf beiden Seiten der Frontlinie vor allem medizinisches Material für Spitäler sowie Chemikalien für die Trinkwasseraufbereitung (Die SRF-«Tagesschau» berichtete). Leider konnte ich die Schweizer Teams in den Städten Donetzk und Luhansk im Donbass nicht besuchen, da die Behörden in Kiev uns keine Genehmigung für das Übertreten der Frontlinie in die nichtregierungskontrollierten Gebiete erteilte.
Es besteht dringender Handlungsbedarf für den Rückzug der schweren Waffen, die Entminung sowie eine Waffenruhe, die von beiden Seiten eingehalten wird. Die Leiden der Bevölkerung im Osten der Ukraine müssen aufhören und der Krieg beendet werden.
SP-Nationalrätin Margret Kiener Nellen war zwischen Dezember 2018 und Juni 2019 als Präsidentin des ständigen Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Fragen der Parlamentarischen Versammlung der OSZE (PV OSZE) viermal in Kiev und im Osten der Ukraine. An der Sommerkonferenz der PV OSZE in Luxemburg wurde in Englisch und Russisch darüber berichtet.