Ukraine: Politische Überzeugungen vor wirtschaftlichen Interessen

Martin Naef, Nationalrat ZH

Martin Naef, Nationalrat ZH
Nie waren wir so informiert wie heute. Wir wissen allerdings wenig damit anzufangen. Bilder und Kommentare auf allen Kanälen schaffen Vertrautheit bis zur gleichgültigen Gewöhnung an das vermeintlich Begreifbare. So sind wir eigentlich ratlos, was genau sich ausser einem Propagandakrieg zum Beispiel in der Ukraine abspielt. Wir wissen nicht wirklich, wer mit welchem Interesse wo, mit wem und warum genau streitet.

Versuchen wir trotzdem, den Konflikt einzuordnen, helfen aber unbestrittene Fakten: Die ukrainische Halbinsel Krim wurde von nicht gekennzeichneten russischen Soldaten besetzt, worauf eine verfassungswidrige Volksabstimmung über den Anschluss der Autonomen Republik Krim an die Russische Föderation durchgeführt wurde. Beides sind grobe Verletzungen des Völkerrechts und des Budapester Memorandums von 1994. Darin sicherte Russland der Ukraine die volle territoriale Integrität zu – im Gegenzug verzichtete die Ukraine auf ihre Atomwaffen.

Fakt ist auch, dass der ukrainischen Übergangsregierung bis zu ordentlichen Wahlen eine rechtliche Legitimität fehlt. Tatsache ist, dass die Frage der sprachlichen und ethnischen Minderheiten durch alle selbsternannten Autoritäten missachtet wird. Und schliesslich ist es leider auch so, dass die Ukraine vor einem Staatsbankrott steht und dass nationalistische Bewegungen davon nur profitieren können. Die Menschen haben Angst um ihre bare Existenz und setzen geschürte Hoffnungen in die EU, die Nato oder in Russland. Damit sind all jene die Verliererinnen und Verlierer dieser Krise, die schon bisher unter der Korruptheit und schamlosen Bereicherung ihrer Eliten gelitten haben. 

Die Schweiz ist zurückhaltend, vermittelnd und vorsichtig. Das ist gut so, denn für einmal kann und soll sie mit dem Vorsitz der OSZE die einzig erfolgversprechende Rolle in diesem Konflikt spielen. Dennoch kann die Schweiz nicht gleichzeitig für das Völkerrecht eintreten und der russischen Aggression tatenlos zusehen. Sie kann nicht die Achtung der Menschenrechte einfordern und so tun, als ob sie das Treiben der russischen und ukrainischen Oligarchen und Rohstoffhändler in unserem Land nichts anginge. Sie kann nicht gleichzeitig im Rahmen der OSZE Vermittlerdienste anbieten und eisern an der Priorität wirtschaftlicher Interessen vor grundlegenden politischen Überzeugungen festhalten. 

Die Schweiz muss sich um Frieden, Gewaltlosigkeit und Toleranz bemühen. Sie muss mit der Beteiligung an Sanktionen aber auch klar zum Ausdruck bringen, dass sie den Bruch von Völkerrecht und die Missachtung von politischen und demokratischen Rechten wie auch der Rechte von Minderheiten nicht hinnimmt. Nicht hier und nirgendwo auf der Welt. Auch wenn es kostet.

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