Kein anderes Land der Welt ermöglicht Billionen von Substanzausschüttungen aus den Aktiengesellschaften, zudem noch prioritär gegenüber den – einkommens- und verrechnungssteuerpflichtigen – Dividendenausschüttungen aus den Gewinnen (siehe BZ vom 19.5.2018).
Auch die NZZ am Sonntag vom 20.5.2018 anerkennt, dass Unternehmen mit dem KEP „ihre Steuerlast teilweise massiv reduzieren können“. Der Bundesrat hat es verpasst, einen Rechtsvergleich mit EU-Staaten anzustellen sowie entsprechende Einschränkungen des Kapitaleinlageprinzips flankiert durch ein einfaches Modell einer Beteiligungsgewinnsteuer vorzuschlagen.
Jetzt sind der Ständerat und seine Kommission am Ball. Folgende Korrekturen am KEP drängen sich auf:
1. In Art. 20 Abs. 3 DBG den Begriff „unmittelbar“ wieder einsetzen. Das wurde bei den Beratungen zur USR II im Ständerat auf Antrag Lauri (SVP/BE) gestrichen. So hatten es economiesuisse, der Verband der Schweizer Unternehmen, sowie seine Mitgliederorganisationen, Industrie-Holding, Swiss Banking, Schweizerischer Versicherungsverband und Treuhand-Kammer in ihren Vernehmlassungseingaben gefordert. Mit der Folge, dass auch Kapitaleinlagen, die „im Dreiecksverhältnis über einen gemeinsamen Beteiligten“ erfolgen, steuerfrei zurückzuzahlen sind. Das lässt Schiebereien bzw. Steueroptimierungen in grossem Ausmass innerhalb von Holding- oder Konzernstrukturen zu und vergrössert die Steuerausfälle entsprechend (siehe BZ vom 19.5.2018).
Weder die eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) noch Bundesrat Merz machten das Parlament 2006/07 darauf aufmerksam. Die rechte Mehrheit der Wirtschaftskommission des Nationalrats lehnte den Antrag der SP auf Anhörungen von ExpertInnen vor der Beratung der USRII ab. Fragen nach Steuerausfällen des KEP der beiden SP-Nationalrätinnen Hildegard Fässler und Susanne Leutenegger Oberholzer wurden nicht beantwortet (vgl. dazu Kiener Nellen 2011).
2. Publikumsgesellschaften sind vom KEP auszunehmen. KEP ist gemäss Abstimmungsbüchlein zur USRII für Beteiligungsinhaber an „Familien-KMU“ gedacht, explizit für „natürliche Personen“, und mitnichten für „Tochtergesellschaften von Konzerngesellschaften und KEP-Transfers innerhalb von Konzernen“. Von Publikumsgesellschaften war zuhanden der Stimmberechtigten nie die Rede.
3. Aufzuheben sind zudem alle anerkannten Unterbesteuerungen der Aktionäre in Kombination mit der Steuerfreiheit privater Kapitalgewinne, sollte die rechte Mehrheit auf eine solche – anders als alle Nachbarländer – verzichten wollen.
Ohne diese Korrekturen des KEP wächst eine grenzenlose Manipulationsreserve für steuerfreie Ausschüttungen, die mit bis heute über 2‘100 Milliarden genehmigten KEP-Reserven für 100%-steuerbefreite Ausschüttungen an AktionärInnen weder steuer- noch gesellschaftspolitisch zu verantworten und realwirtschaftlich nicht zu erklären ist. Sie macht Aktionäre zu einer steuerfreien Kaste, vergrössert die Ungleichverteilung der Vermögen und verletzt die Bundesverfassung. Bei der abstimmungstaktischen Bezeichnung der Vorlage als SV 17 statt USRIV ist dem Bundesrat wohl ein Freud’scher Versprecher passiert: die Abkürzung SV heisst in Englisch „shareholder’s value“, das heisst „Aktionärsnutzen“.
3. Akt: Der Souverän vergisst nicht
Der Ständerat, in dessen erster Lesung zur USRII dieses Billionen-Steuerschlupfloch kommunikationslos geöffnet wurde, über das die Stimmberechtigten bei der Referendumsabstimmung 2008 arg irregeführt wurden, täte gut daran, auf Feld 1, das heisst zur ehemaligen Bundesratsvorlage mit dem Unmittelbarkeitsprinzip zur USRII zurückzukehren.