Dank der breiten zivilgesellschaftlichen Allianz bestehend aus den Dachverbänden Travail.Suisse, Alliance F, männer.ch und Pro Familia Schweiz sowie der Unterstützung der Parteien – natürlich auch der SP – konnten die Unterschriften in gerade mal einem Jahr gesammelt werden. Besonders hervorgehoben werden darf das perfekte Zusammenspiel der Organisationen, die unglaubliche Unterstützung unzähliger freiwilliger Sammlerinnen und Sammler, aber auch die Online-Kampagne, die in dieser Art erst- und einmalig war. All diese Faktoren haben wesentlich zum Erfolg beigetragen, der am 4. Juli anlässlich der offiziellen Einreichung gefeiert wird.
Bei einem Ja zur Initiative wird der Vaterschaftsurlaub spätestens 2025 eingeführt
Nach der Einreichung am 4. Juli 2017 hat der Bundesrat ein Jahr Zeit, seine Botschaft mit der Abstimmungsempfehlung dem Parlament zu unterbreiten (4. Juli 2018). National- und Ständerat haben dann 1,5 Jahre Zeit für die Behandlung der Initiative inklusive Schlussabstimmungen (4. Januar 2020). Unterbreitet der Bundesrat oder das Parlament einen Gegenvorschlag, so kann die Behandlungszeit um maximal ein Jahr verlängert werden (4. Januar 2021). Etwa 10 Monate nach den Schlussabstimmungen im Parlament kommt die Initiative vors Volk (Herbst 2020 oder Herbst 2021). Gemäss der Übergangsbestimmungen im Initiativtext müsste das Parlament bei einem Ja des Volkes und der Kantone innerhalb von drei Jahren die erforderlichen Gesetze schaffen und den Vaterschaftsurlaub einführen. Andernfalls muss drei Jahre nach Annahme der Bundesrat dies gemäss Verordnung tun. Der Vaterschaftsurlaub kann also spätestens per 1. Januar 2025 eingeführt werden. Diese Zeitachse zeigt vor allem eines: Geduld ist angesagt. Wichtig ist in den kommenden Monaten die Begleitung des Anliegens in Verwaltung und Parlament, sowie in der Öffentlichkeit. Mit der Einreichung beginnt die Arbeit also erst richtig.
Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist eine zentrale Herausforderung im Arbeitsleben
Die Politikerinnen und Politikern in National- und Ständerat müssen verstehen, dass für die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie – eine der zentralen Herausforderungen im modernen Arbeitsleben – der Vaterschaftsurlaub ein entscheidendes Puzzle-Teil ist. Natürlich sind auch Teilzeit und Elternzeit prominente Gestaltungsinstrumente, um Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in Einklang zu bringen, die Initiative fokussiert aber auf den Vaterschaftsurlaub. Die EU-Kommission schlug Ende April ihren Mitgliedstaaten vor, mindestens 10 bezahlte Tage Vaterschaftsurlaub zu gewähren und einen Elternurlaub einzuführen. Zudem: Der Durchschnitt der OECD-Länder bietet acht Wochen Vaterschaftsurlaub. Ein Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission will die Vereinbarkeit generell bedarfsgerechter ausgestalten und flexibler an den sich ändernden Betreuungsbedarf anpassen. Davon ist die Schweiz noch weit entfernt.
Alle EU-Staaten haben eine gesetzliche Regelung für einen Vaterschaftsurlaub
In allen EU-Ländern gibt es gesetzliche Regelungen für einen Vaterschafts- oder Elternurlaub. Die Schweiz ist auch hier ein Sonderfall: In keinem Gesetz wird allgemein von einem Vaterschaftsurlaub gesprochen. Wird ein Mann Vater, so erhält er einen Tag Urlaub erhält, gleich viel wie für einen Wohnungswechsel. Im Gesetz steht dies aber nicht explizit und ist «unter den üblichen freien Stunden und Tage» subsumiert, die der Arbeitnehmer von der Arbeit fern bleiben darf. Dass dieser Tag vom Arbeitgeber bezahlt wird, hat sich ebenfalls ergeben, auch wenn es nicht gesetzlich geregelt ist. Die ersten Tage und Wochen sind für den Start ins Familienleben jedoch sehr wichtig. Die Bindung zwischen Vater und Kind entsteht in dieser Zeit und die Mutter des Kindes braucht vielleicht Unterstützung. Da die Vaterschaftsurlaubs-Initiative einen flexiblen Bezug der 20 Arbeitstage vorsieht, kann der Vater diese Tage auch einzeln beziehen. Damit ermöglicht die Initiative die grösstmögliche Flexibilität für die Familien, die aber auch den Unternehmen zu Gute kommt.
Vier Wochen Vaterschaftsurlaub kosten 0.24 Prozent der Schweizer Sozialleistungen
Die Finanzierung funktioniert nach Vorbild des Mutterschaftsurlaubs über die Erwerbsersatzordnung (EO). Dabei gilt eine Lohnersatzquote von 80 Prozent mit einem maximalen Taggeld von 196 Franken. Die Gesamtkosten eines Vaterschaftsurlaubs schätzt der Bundesrat laut einem Bericht von 2013 auf rund 385 Millionen Franken. Diese Summe macht für Arbeitnehmende und Arbeitgeber je 0.06 Lohnprozente aus (bei einem angenommenen Lohn von 6000 Fr./Monat bezahlen beide je 3.60 Fr. pro Monat – so viel wie für eine Tasse Kaffee). Der aktuelle EO-Beitragssatz von 0.45 Lohnprozent wird aber kaum angepasst werden müssen, da die Anzahl Militärdiensttage (ebenfalls über die EO geregelt) mit der Weiterentwicklung der Armee sinkt und nicht klar, ist ob alle Väter die volle Anzahl Vaterschaftsurlaub beziehen. Allenfalls müsste der Bundesrat die Senkung des EO-Satzes vom 1. Januar 2016 von 0.5 auf 0.45 Lohnprozente wieder rückgängig machen. Angesichts der Sozialleistungen von 162 Milliarden Franken pro Jahr, sind die rund 385 Millionen Franken (0.24%) eine kleine, aber vernünftige Investition in unsere Familien, die sich die Schweiz endlich leisten muss!