Versprechen müssen eingehalten werden

AHVplus: Nationalratsdebatte vom 16. Dezember 2015

Ich darf den bürgerlichen Parteien eine Frage nicht ersparen: Wollen Sie tatsächlich wortbrüchig werden? Wollen Sie - und dies erst noch aus niederen Motiven - das vielleicht wichtigste Versprechen brechen, das die Schweiz heute noch zusammenhält? Sehen Sie, wir streiten im Parlament über fast alles; das ist schon richtig so. Aber eine Sache müsste über jedem ideologischen Streit stehen: die AHV.

Die AHV ist das Fundament des sozialen Friedens, das Versprechen, dass die Bürgerinnen und Bürger nach einem langen Arbeitsleben im Alter ihr gewohntes Leben in angemessener Weise weiterführen können. So steht es in der Bundesverfassung. Dieses Versprechen haben Sie gegeben, als Sie unseren Vorschlag einer Volkspension bekämpft haben.

Keine Institution dieses Landes ist so gerecht und so erfolgreich wie die AHV – und auch so unbestritten. 

Viele wissen übrigens nicht mehr, dass die AHV nicht nur eine Forderung der Gewerkschaften und des Generalstreiks war, sondern auch eine Forderung der Jungfreisinnigen – aber das war ein anderer Freisinn. Keine Institution dieses Landes ist so gerecht und so erfolgreich wie die AHV – und auch so unbestritten. Sie geniesst den Zuspruch der Schweizerinnen und Schweizer in allen Landesteilen und über alle politischen Differenzen hinweg. Doch heute lassen Sie zu, dass dieses Fundament unseres Gesellschaftsvertrags bröckelt. Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer müssen nach der Pensionierung direkt aufs Sozialamt gehen. Ein Handwerker, der zuletzt 5500 Franken verdient hat, bekommt als Rente aus zweiter Säule und AHV 43 Prozent weniger – 43 Prozent! Er oder zum Beispiel die Verkäuferin, die Coiffeuse, die Sekretärin können ihr gewohntes Leben nicht weiterführen. Vor allem Frauen, generell aber Hunderttausende mit tieferen Löhnen werden in Altersarmut gestürzt.

Das Versprechen, das wir gegeben haben, ist damit gebrochen.

Machen wir uns nichts vor: Die zweite Säule kann dies nicht kompensieren, das wissen Sie genau. Zahlreiche Pensionskassen haben ihre Leistungen gekürzt und kürzen sie weiter, viele Versicherte müssen zudem ausserordentliche Beträge zahlen. Die Negativzinsen, die die Nationalbank eingeführt hat, verschärfen diese Lage schnell zur Krise. Das Alterskapital auf zahlreichen Versicherungsausweisen schmilzt. Zudem haben wir einen Anlagenotstand. Da wollen Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der bürgerlichen Mehrheit, auch noch den Umwandlungssatz senken! Auf Ihren Laptops müsste eigentlich längst ein Warnsignal blinken: «Systemfehler, soziale Unruhe angesagt».

Sicher ist nur die AHV, weil sie sich nicht auf Spekulation und Börse abstützt, sondern auf Solidarität, auf das Umlageverfahren. Darum verlangen wir vonseiten der Gewerkschaften und der SP mit unserer Initiative AHVplus die Stärkung dieses Vorsorgewerks: Die AHV-Renten müssen um 10 Prozent erhöht werden. Das ist elementar für unser Land. Es ist volkswirtschaftlich notwendig, und es ist erst noch leicht zu finanzieren mit um nur 4 Promille höheren Beiträgen. Das ist bestens angelegtes Geld, die AHV ist weit effizienter als die zweite Säule.

Es ist höchste Zeit, die AHV-Renten zu erhöhen, denn zwischen Löhnen und AHV geht die Schere immer weiter auf. Nur die AHV kann für die Mehrheit ein anständiges Leben garantieren. 

Vier Jahrzehnte lang wurden die AHV-Renten nicht grundsätzlich erhöht. Jetzt ist es höchste Zeit, denn zwischen Löhnen und AHV geht die Schere immer weiter auf. Nur die AHV kann für die Mehrheit ein anständiges Leben garantieren. Diejenigen mit den tiefsten Löhnen ziehen später 95 Prozent ihrer Rente aus der AHV. Sogar die Mittelschicht, die mittleren Einkommen, bekommt deutlich mehr aus der AHV als aus der Pensionskasse. Zu den wirklich dummen Lügen gehört die Behauptung, die AHV sei der arme Cousin der zweiten Säule. Das Gegenteil ist wahr! 1975 generierte die AHV 14 Milliarden Franken, 2013 schon 30 Milliarden Franken, und dies bei gleichbleibenden Lohnbeiträgen. In diesem hohen Haus wird fabuliert. Doch zumindest in solch wichtigen Fragen sollten sich die Debatten und Beschlüsse des Parlamentes auch auf Fakten stützen. Die Schweiz braucht AHVplus. Die AHV ist solide, effizient und finanzierbar. Unsere Initiative bringt einem Ehepaar 350 Franken, einer alleinstehenden Person 200 Franken mehr Monatsrente – bei minimalem Aufwand sehr viel Ertrag.

Sie haben heute die Chance: Halten Sie das vielleicht wichtigste Versprechen der Politik an die Schweizerinnen und Schweizer hoch! Halten Sie Wort! Darum: Ja zur Initiative AHVplus.

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