Verteilungsgerechtigkeit für alle statt Steuergeschenke für wenige

Die heute publizierten GfS-Zahlen lassen am 24. November einen spannenden Abstimmungssonntag erwarten. Die 1:12-Initiative trifft offensichtlich den Nerv der Zeit, überrissene Managergehälter werden von der Bevölkerung nicht mehr geduldet. Vor allem ist die 1:12-Initiative einfach und intuitiv zu verstehen – was man von der SVP-Familieninitiative nicht behaupten kann. Der Inhalt hält nicht, was der Titel verspricht. Anstatt Familien gezielt steuerlich zu entlasten, beschenkt die Initiative wohlhabende Familien, reisst gewaltige Löcher in die Kassen der Kantone und belastet bisher abzugsberechtigte Familien ganz massiv.

Die SVP-Familieninitiative ist eine klassische Mogelpackung mit Potenzial für böse Überraschungen. So würden bei einer Annahme den Kantonen mehr als 1 Milliarde Franken pro Jahr entgehen. Da die Initianten selbst von einer kostenneutralen Umsetzung sprechen und Steuererhöhungen politisch kaum opportun sind, kann die Umsetzung nur mit massiven Kürzungen bei bisher abzugsberechtigten Familien bewerkstelligt werden. Im Klartext: Wer bisher die Kosten für die Fremdbetreuung von der Steuerrechnung abziehen konnte, würde künftig massiv mehr Steuern bezahlen.

Die Förderung von Familien ist ein hehres Ziel, das aber mit Kinder- oder Ausbildungszulagen, der Förderung von bezahlbarem Wohnraum für Familien oder einem leichteren Zugang zu Betreuungsmöglichkeiten viel sinnvoller erreicht werden kann. Die SVP-Initiative hingegen ist nichts anderes als ein Steuergeschenk an wenige wohlhabende Familien auf Kosten der Staatskasse.

Wesentlich erfreulicher sind die Umfragewerte zur 1:12-Initiative. Die hohe Zustimmung beweist einmal mehr, wie stark das Bedürfnis nach mehr Lohngerechtigkeit ist. Trotz Millionen-Kampagne und medialem Support fallen viele Bürgerinnen und Bürger nicht auf die Angstmache und die erpresserischen Drohungen von Gewerbeverband und Economiesuisse herein. Die Ausgangslage für die Abstimmung ist völlig offen, doch 1:12 hat heute schon gewonnen dank der monatelangen Diskussion in den Beizen, am Familientisch, im Vereinslokal und in den Medien. Die Zeit der Abzocker läuft am 24. November endgültig ab.

Die relativ knappen Umfragewerte bei der Vignette deuten auf die Komplexität der Vorlage hin. Die Befürworten scheinen mit ihrer Argumentation, dass der Preis für die Vignette seit fast 20 Jahren nicht mehr angepasst wurde und deshalb Mittel für dringend benötigte Strassenprojekte fehlten, zu überzeugen. Bei einer Annahme der Preiserhöhung wird darauf zu achten sein, dass die Gelder wirklich zweckgebunden verwendet werden und nicht in unsinnige Projekte wie den Bau einer zweiten Gotthardröhre fliessen. 

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