Editorial von Christine Goll, Präsidentin der SP60+
Jede Stimme zählt für die Volksabstimmungen am 25. September, um die Umverteilung von unten nach oben zu stoppen: Die bürgerliche Mehrheit in Bundesbern ist ausser Rand und Band und tanzt nach dem Diktat der Banken- und Konzernlobby. Zwei Abstimmungsvorlagen, über welche wir demnächst befinden müssen, zeigen dies exemplarisch. Mit der Abschaffung der Verrechnungssteuer werden die Reichen belohnt, während die grosse Mehrheit der Bevölkerung mit dem Paket AHV 21 Rentenkürzungen schultern soll. Beide Abstimmungsvorlagen verdienen ein wuchtiges Nein.
Nur noch Löhne, Renten und Konsum sollen besteuert, Kapital- und Vermögenssteuern hingegen reduziert werden. Konzerne und Grossaktionäre sollen nichts mehr zum Gemeinwesen beitragen müssen. Sozialabbau und die Zerschlagung des Service public folgen auf den Fuss. Die bestehende Nähe zwischen Kapital und Politik ist gefährlich und beunruhigend. Der Staat ist damit verantwortlich für die sich immer weiter öffnende Schere zwischen Arm und Reich.
Mieten, Krankenkassenprämien und Preise steigen, doch die Löhne und Renten sinken. Das Rentenniveau bei der AHV ist für Frauen und Männer gleich, aber von den Renten der 1. Säule allein kann niemand leben. In der 2. Säule jedoch sind die Renten der Frauen halb so hoch als diejenigen der Männer, und ein Drittel der Frauen hat gar keinen Anschluss an eine Pensionskasse. Die Beteuerungen der Bürgerlichen, endlich eine Besserstellung der Frauen in der Beruflichen Vorsorge zu verwirklichen, haben sich in heisse Luft aufgelöst. Der Fahrplan für weitere Rentensenkungen ist aufgegleist. Die Heraufsetzung des Frauen-Rentenalters ist nur der erste Schritt: Bald sollen alle bis 67 arbeiten. Die Realität auf dem Arbeitsmarkt wird ausgeblendet. Denn ein Jahr vor dem heute geltenden Pensionsalter ist nur noch die Hälfte der Männer und Frauen erwerbstätig.
Bei der Altersvorsorge geht es um einen eigentlichen Richtungskampf. Nach Plan der bürgerlichen Mehrheit im Parlament soll die AHV geschwächt werden, der Absturz der Renten in der 2. Säule wird jedoch nicht gestoppt. Die Renditen der Pensionskassen betrugen im vergangenen Jahr satte 6 Prozent, doch die Gewinne werden nicht an die Versicherten oder Pensionierten weitergegeben. Die Finanzindustrie schröpft jedes Jahr Milliarden aus den Pensionskassen ab – auf Kosten der Versicherten. Auch das beliebte Steuerschlupfloch für Gutbetuchte, die private 3. Säule, soll ausgebaut werden, was wiederum zu massiven Steuerausfällen führt, die wir alle bezahlen.
Mit der Abschaffung der Verrechnungssteuer auf Obligationen würden abermals nur Toppverdienende und Vermögende profitieren, denn auf dem Sparbüchlein wird die Steuer weiterhin erhoben. Die resultierenden Steuerausfälle würden die öffentlichen Leistungen schwächen. Das Finanzdepartement wollte verheimlichen, dass die geplante Abschaffung der Verrechnungssteuer, die ausschliesslich Grosskonzernen dient, jährlich 100 Millionen Franken teurer wird, als bisher behauptet.
Die AHV machte im vergangenen Jahr einen Überschuss von 2,6 Milliarden Franken – dreimal mehr als prognostiziert. Düstere Prognosen sind Kalkül: Sie sollen verschleiern, dass die AHV solide, verlässlich und solidarisch funktioniert. Höhere AHV-Renten sind möglich und finanzierbar. Weitere Steuergeschenke für die Oberschicht sind verantwortungslos. Stoppen wir diese dreiste Politik und schicken wir beide Vorlagen wuchtig bachab!