Lohndiskriminierungen aufgrund des Geschlechts sind real. In der Schweiz betrug der Lohnunterschied bei gleicher Ausstattung und Jobprofil 2014 durchschnittlich 7.4%, dies ist jedoch nur der unerklärte Teil. Der Vollzeitlohnunterscheid zwischen Frauen und Männern betrug auf ein Vollzeitpensum hochgerechnet rund 18,1%. Jahr für Jahr wird also die Verfassung nicht eingehalten, und dieser Missstand nicht behoben. In der kommenden Woche kommt die Vorlage für Lohntransparenz in die Kommission des Ständerats. Zur Erinnerung: Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern sollen alle vier Jahre eine Analyse durchführen und prüfen, ob sie die Lohngleichheit einhalten. Ist dies nicht der Fall, so passiert: nichts. Sanktionsmöglichkeiten gibt es keine.
Ebenfalls zur Erinnerung, was linke Frauen und Gewerkschaften seit Jahren fordern: Griffige Lohnkontrollen, Sanktionsmöglichkeiten und unabhängige, paritätische Kontrollinstanzen. Die Vorlage, die nächste Woche in der ständerätlichen Kommission wird, ist also ausgesprochen moderat und wurde bereits sehr aufs bürgerliche Stimmverhalten zugeschnitten. Bloss keine konservativen Herren verschrecken. Trotzdem ist unklar, ob die Kommission überhaupt darauf eintreten wird.
Diese Tatsache ist skandalös, insbesondere, weil FDP und CVP Frauen die Vorlage befürworteten. Ein allfälliges Nicht-Eintreten der Kommission gibt dann also direkt Auskunft über den Stellenwert von Frauenanliegen in bürgerlichen und rechten Parteien. Und in Zeiten von #metoo und Fällen von Sexismus im Bundeshaus ist es nicht ganz unwichtig, über diesen Zusammenhang zu sprechen. Sexismus offenbart sich nicht nur in der Form von alkoholisierten und grapschenden Nationalräten, sondern eben auch viel subtiler – im politischen Alltag und in der Gewichtung der Themen. Klar, wieso sollte Lohnungleichheit für bürgerliche Männer wichtig sein? Betrifft sie ja nicht. Moderner Sexismus bedeutet die Leugnung von Ungleichheiten und die Ablehnung von Massnahmen, die darauf abzielen, diese zu beseitigen. Und damit wären wir direkt bei der Lohnungleichheit.
Wie gesagt, die Vorlage könnte schärfer sein, dass das Parlament darauf eintritt und zustimmt, ist trotzdem wichtig. Einerseits, weil Firmen, die bei freiwilliger Überprüfung eine Lohnungleichheit festgestellt haben, ihre Lohnsysteme oft zugunsten der Frauen kontrollieren. Transparenz ist also hilfreich, es ergeben sich daraus reale Verbesserungen. Anderseits auch, weil Frauenanliegen historisch oft vom Fleck gekommen sind, wenn bürgerliche und linke Frauen auf einer Linie gekämpft haben. Das ist hier der Fall. Nicht-Eintreten wäre also ein Schlag ins Gesicht aller Frauen, ausgeteilt von der rechtsbürgerlichen, männlichen Ratsmehrheit.