Wollen die Tabakunternehmen neue Konsumierende gewinnen und damit ihr Geschäft sichern, müssen sie Junge ansprechen. 57 % der Rauchenden steigt minderjährig in den Tabakkonsum ein, nach dem Alter von 26 beginnt kaum mehr jemand mit Rauchen. Bereits 9 % der 14-Jährigen konsumieren täglich oder gelegentlich Tabak. Bei den 17-Jährigen sind es bereits 23.8 %, das hat eine Studie von Sucht Schweiz ermittelt.
Tabakwerbung beeinflusst Konsumverhalten und zielt auf Jugendliche
Aufgrund der erschlagenden Evidenz, dass Tabakwerbung einen Einfluss hat auf die Raucherquote der Jugendlichen hat, haben unzählige Länder eine umfassendes Tabakwerbeverbot erlassen und dabei beeindruckende Erfolge erzielen können. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt ein umfassendes Werbe- und Sponsoringverbot, weil insbesondere Kinder und Jugendliche aufgrund der Werbung die Gefahr des Rauchens für ihre Gesundheit massiv unterschätzen. Diese Empfehlung wurde 2003 in ein 40-seitiges internationales Abkommen (FCTC) gegossen, damit der Einsatz gegen den schädlichen Tabakkonsum international koordiniert werden kann. Die Schweiz hat dieses WHO-Abkommen 2004 unterzeichnet aber bis heute als eines von wenigen Ländern nicht ratifiziert.
Dass Jugendliche die wichtigste Zielgruppe der Tabakindustrie und all ihrer Marketingaktivitäten sind, bestreiten sie natürlich. Vollmundig setzen sie sich im Ehrenkodex der Branche, welche mit der Schweizerischen Lauterkeitskommission vereinbart wurde, zum Ziel, dass sich Vermarktung und Distribution von Tabakprodukten «ausschliesslich an erwachsene Rauchende und nicht an Minderjährige richten». Realität ist jedoch, dass dieser Ehrenkodex täglich verletzt wird und das Papier nicht wert ist auf dem es gedruckt ist. Beispiele gibt es täglich genug und stellen keine Ausnahme dar.
Schweiz als Eldorado für Philip Morris und Co.
Es ist auch kein Zufall, dass die Schweiz als Hauptsitz der grössten weltweit tätigen Tabakkonzerne in einem Ländervergleich von Tobacco Industry Interference Index als Schlusslicht aufgeführt wird und damit als Zufluchtsort und Marketinglabor internationaler Tabakkonzerne bezeichnet werden kann. Jede Parlamentarierin kann ein Lied davon singen, wie unverfroren Tabakfirmen im Bundeshaus lobbyieren.
Problematischer ist jedoch die versteckte oder indirekte Einflussnahme. 2015 wollte der Bundesrat den Jugendschutz verstärken und das von ihm 2004 unterzeichnete WHO-Abkommen ratifizieren. Dazu hat er das Tabakproduktegesetz dem Parlament vorgelegt, das auch Einschränkungen der Tabakwerbung vorsah. Zur Bekämpfung dieses Gesetzes wurde die «Allianz für eine massvolle Präventionspolitik» gegründet. Verschiedenste Wirtschaftsverbände sind darin enthalten und über 50 ParlamenterierInnen sind Mitglied. Es war ein Einfaches für diese einflussreiche Allianz, die Rückweisung des Tabakproduktegesetzes an den Bundesrat zu erwirken mit dem Auftrag, auf Einschränkungen von Werbung und Sponsoring zu verzichten. Die Tabaklobby hatte sich gegen den Bundesrat und die ganze Präventionsfachwelt durchgesetzt, welche sehnlichst auf dieses Gesetz wartete.
Eine Volksinitiative gegen die Untätigkeit des Parlaments
Dieser Rückschlag im Parlament für eine wirksame Präventionspolitik und Jugendschutz war die Geburtsstunde der Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung», welche von 28 Gesundheitsorganisationen, der Ärzteschaft sowie Sport- und Jugendverbänden lanciert wurde. Die Initiative verlangt ein Verbot von Tabakwerbung, Verkaufsförderung und Tabaksponsoring, welche Kinder und Jugendliche erreicht. Die Gegner der Vorlage bezeichnen diese Werbeeinschränkung als extrem und vergessen dabei, dass sich der Bundesrat seit 2004 mit der Unterzeichnung des WHO-Abkommens genau dazu bekannt hat. Und sie vergessen dabei, dass sich die Branche selbst in ihrem Kodex dazu bekannt hat.
Das Parlament hat das Tabakproduktegesetz nach vielen Runden 2021 endlich verabschiedet. Der Jugendschutz ging dabei erneut vergessen und Bundesrat Alain Berset beurteilte klar die Vorlage sei «kein grosser Fortschritt». Ausserdem erlaubt uns das Gesetz die Ratifizierung des WHO-Abkommens auch 16 Jahre nach Unterzeichnung nicht. Schlussendlich ist auch der freiwillige Ehrenkodex der Branche gescheitert.
Aus all diesen Gründen kommt es am 13. Februar zur Abstimmung über diese Initiative. SP, Grüne, Grünliberale, EVP und viele Mitte-Sektionen empfehlen ein JA zur Vorlage und die Unterstützung von Fachorganisationen nimmt täglich zu. Die positiven Umfragewerte zur Initiative lassen hoffen, dass die Stimmbevölkerung den Jugendschutz höher gewichtet, als die Partikularinteressen der Tabakkonzerne.
Flavia Wasserfallen, Nationalrätin SP und Mitglied der Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit.