Der Hauptgrund für einen Wechsel liegt darin, dass die Patientinnen und Patienten vom heutigen Wettbewerb zwischen den Krankenkassen nicht profitieren. Zu diesem Schluss komme ich nicht nur als Gesundheitspolitikerin, sondern ich musste mich auch während meiner langen Tätigkeit im Gesundheitswesen davon überzeugen. Die Kassen streiten sich nicht darum, wer sich besser und intensiver um die Menschen mit chronischen oder langdauernden Krankheiten kümmert, sondern sie investieren viel Energie und Geld in den Kampf um die sogenannten guten Risiken. Im heutigen System sind die Anreize so gesetzt, dass es für die Kassen deutlich lukrativer ist, junge und gesunde Versicherte zu haben, die möglichst wenig Kosten verursachen. Ältere Personen mit diesen und jenen gesundheitlichen Problemen hingegen verursachen Kosten, möglicherweise sogar mehr Kosten, als die Prämieneinnahmen der Betreffenden abdecken. Auch ein noch so ausgeklügelter Risikoausgleich zwischen den Krankenkassen ändert an diesem Grundfehler des heutigen Systems nichts.
Wenn wir also wollen, dass für die Krankenkassen ein Anreiz besteht, die längst fälligen Behandlungsprogramme für chronische Krankheiten zu entwickeln respektive den Versicherten anzubieten, dann gibt es nur eine Lösung: das vollständige Ausschalten des Kampfes um gute Risiken. Das kann nur mit einer öffentlichen Krankenkasse gelingen. Damit wird jedoch nicht nur etwas für die Betroffenen getan, die von besseren Behandlungen profitieren. Es wird auch zu nachhaltigen Kosteneinsparungen kommen – Expertinnen und Experten rechnen mit Einsparungen von bis zu 10 Prozent. Das ist plausibel, denn die öffentliche Krankenkasse investiert nicht nur in bessere Behandlungsmodelle, sondern auch in Gesundheitsförderung und Prävention.
Dass diese namhaften Einsparungen nicht unmittelbar nach dem Systemwechsel erzielt werden können, liegt auf der Hand. Sofort eingespart würden hingegen die bisherigen Kosten für Werbung und Akquisition, sowie die Kosten, welche durch die heute stattfindenden Wechsel der Versicherten von einer Kasse zur andern anfallen. Das sind immerhin pro Jahr ca. 300 Millionen. Dieses Geld kann sofort für Sinnvolleres ausgegeben werden.
Der Systemwechsel ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Wir sollten sie anpacken. Denn er ist die einzige Möglichkeit, wie wir die Kostenexplosion stoppen und die Kosten in den Griff bekommen können.
Text publiziert in der Aargauer Zeitung/Nordwestschweiz vom 24. Juli 2014