Unsere Parteibasis, die SP-Frauen und Männer, haben am Parteitag in Thun die Sozialliberalen mit 375 gegen 59 Stimmen in die Minderheit versetzt und damit ein deutliches Zeichen gesetzt. Da war ich stolz, Mitglied unserer Partei zu sein. Hier ist eben nicht Trump-Land, und auch nicht Deutschland, Frankreich, Italien oder Spanien. Und schon gar nicht Ungarn, Polen oder die Slowakei. In all diesen Ländern haben die Sozialdemokraten mit einer liberalen Politik nur eines erreicht: Sie haben den Rechten und den Rechtsradikalen Tür und Tor geöffnet. Sich selbst aber haben sie zur unwählbaren Partei gemacht. Es ist wichtig, dass sich unsere Partei kontrovers und offen die Frage nach den politischen Inhalten stellt. Denn es ist nicht nur eine Frage des Tones und der Form, wie einige meinen, es geht um Politik und wie wir unsere Gesellschaft weiterentwickeln wollen. Verwässern wir unsere Politik, unsere Grundsätze, verbauen wir uns die Zukunft.
Im Grunde ist es sehr einfach: Kein Mensch braucht eine liberale Mainstream-SP. Wozu auch? Den neoliberalen Sozialabbau besorgt schon die bürgerliche Mehrheit. Sie greift die AHV an. Sie privatisiert und spart den Service public kaputt. Sie will uns auch in der Nacht und Sonntag arbeiten lassen und drückt die Löhne. Sie steht, geführt von der SVP, ganz im Dienste der Banken und Konzerne. Genau das und das ganze neoliberale Gerede produziert die Angst, die jetzt den Ultrarechten zum Durchmarsch verhilft. Angst vor sozialer Unsicherheit. Angst vor dem Jobverlust, Angst der Jungen vor einem schlimmen Alter. Angst vor den Ausländern. Die Furcht, keine Chance zu haben.
Wir alle wissen, dass die Rechte, die unseren Wohlstand zerstört, weltweit auf dem Vormarsch ist. Und wir kennen unsere historische Verantwortung. Wir sind, mit den Gewerkschaften, die einzige ernsthafte Gegenkraft gegen die Barbarei.
Angst zu machen gilt nicht. Angst ist nicht SP. Eine verunsicherte Gesellschaft ist unproduktiv und unkreativ. Was hat uns stark gemacht und was wird uns noch stärker machen? Wir sind die Kraft, welche die Menschen aus Zwang und sozialer Not holt. Wir machen die Menschen sicher, dass sie bei einem Jobverlust, einem Unglück und im Alter nicht alleine dastehen. Wir sorgen dafür, dass die Chancen gerechter verteilt werden, und dass Zeit und Kraft für ein erfülltes Leben bleiben. Freiheit, Gerechtigkeit und Sicherheit, das ist unser Kern. Wie? Im wirklichen Leben sind das ganz konkrete, handfeste Dinge wie gute und sichere Löhne, eine ausgebaute AHV, Kündigungsschutz, Gleichstellung, Freizeit, bezahlbare Krankenkassen, gute Schulen, gerechte Steuern, mehr Mitsprache, Innovation, Ökologie und einiges mehr.
Das bringt keinen Verwaltungsratssitz oder auch sonst kein Blingbling. Dafür zu streiten, dass alle ein bisschen sicherer und freier werden, ist tägliche Arbeit in der Gemeinde, im Kanton, in der Eidgenossenschaft. Es bedeutet, der Wirtschaft manchmal Nein zu sagen. Und sie zu Kompromissen zu zwingen. Wagt uns irgendein Genosse oder irgendeine Genossin ins Gesicht zu sagen, dieses Programm sei kein Zukunftsprogramm? Die Wahrheit ist doch: Nichts ist so sehr von gestern wie das neoliberale Abbau- und Sparprogramm. Es bedient nur die Interessen von 0,1 Prozent. Nichts ist so passé wie das wehleidige Modernitäts- und Reformgeschwafel, dass nur die Unterwerfung unter ein Diktat meint. Mit Karacho zurück in einen Brutalo-Kapitalismus.
Die SP gewinnt, wenn sie wieder unverwechselbar, keck und eindeutig sagt: Das Leben ist zu kurz, um es den Aktionären zu überlassen. Wir machen Politik, weil Politik das nackte Profitinteresse zähmen kann und wir damit ein Stück Leben gewinnen. Wir gestalten Zukunft. Zum Beispiel den digitalen Umbau. Er könnte eine gute Sache sein. Geben wir ihn aber aus der Hand, sitzen wir in ein paar Jahren alle bis 75 im Homeoffice täglich 12 Stunden vor dem Schirm und verdienen nicht genug zum Leben. Darum geht es: wie wir arbeiten und leben. Wir sind die Partei, die für den ökologischen Umgang des Menschen mit sich selbst kämpft. Digital ist gut, Sachzwang ist Mumpitz. Das ist SP. Packens wir es an!