Bewusst regeln - Fragen an einen Anwalt

Rechtsanwalt Dr. Markus Meyer von Bracher & Partner hat uns bei der Überarbeitung unseres Testament-Ratgebers eng begleitet. Im Interview erläutert er, was es Wichtiges zu wissen und was es in Bezug auf das neue Erbrecht ab 1. Januar 2023 besonderes zu beachten gilt.

Viele Menschen schieben das Thema Testament und Vorsorgen vor sich her. Warum ist das so?

Dr. Markus Meyer: Es ist nicht toll, sich mit dem eigenen Tod oder der eigenen Urteilsunfähigkeit auseinanderzusetzen. Teilweise liegt es aber auch am fehlenden Wissen: Was passiert von Gesetzes wegen, wenn ich sterbe oder nicht mehr für mich selbst entscheiden kann?

 

Welche unterschiedlichen Formen der Vorsorge gibt es überhaupt?

Ein Vorsorgeauftrag und eine Patientenverfügung geben mir die Möglichkeit festzulegen, was ich möchte, wenn ich nicht mehr urteilsfähig bin, also nicht mehr für mich selbst bestimmen kann, obwohl ich noch lebe. Eine solche Urteilsunfähigkeit kann jederzeit eintreten: Beispielsweise, wenn ich einen Unfall erleide oder schwer krank bin. Für mich persönlich ist diese Regelung besonders wichtig, weil sie für mich selbst als lebendigen Menschen gilt. Mit dem Testament hingegen entscheide ich, was nach meinem Ableben geschehen soll.

Es ist also wichtig, zu unterscheiden:

Im Vorsorgeauftrag kann ich bestimmen, wer mich in meinen persönlichen, finanziellen und rechtlichen Angelegenheiten vertreten soll und auf diese Weise auch über meine medizinische Behandlung entscheidet. Wenn ich keinen Vorsorgeauftrag habe, entscheidet die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) über das weitere Vorgehen. Es kann somit sein, dass die KESB eine fremde Person als Beistand einsetzt.

Die Patientenverfügung betrifft nur meine medizinische Behandlung. Damit kann ich, wie auch beim Vorsorgeauftrag, spezifisch bestimmen, welche medizinischen Massnahmen ich möchte und welche nicht. Ebenfalls kann ich festlegen, welche Person in medizinischen Fragen über mich bestimmen darf.

Mit dem Testament hingegen entscheide ich, was nach meinem Tod geschehen soll. Dabei kann ich festlegen, welche Personen wieviel von meinem Nachlass erhalten sollen. Weiter kann ich direkt spezifische Vermögenswerte einer Person oder Institution vermachen.

 

Bleiben wir beim Testament: Mit dem neuen Erbrecht per 1. Januar 2023 ist es noch wichtiger, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen – oder wenn schon ein Testament vorhanden ist, dieses zu überprüfen. Was sind die Besonderheiten des neuen Erbrechts?

Zum einen ändern sich die Pflichtteile und zum andern besteht nach Abschluss eines Erbvertrags ein Schenkungsverbot. Bisher hatten die Nachkommen des Erblassers/der Erblasserin ein Anrecht auf mindestens drei Viertel, der:die überlebende Ehegatt:in auf die Hälfte und die Eltern des Erblassers/der Erblasserin auf die Hälfte ihres jeweiligen gesetzlichen Erbteils. Mit der Erbrechtsrevision werden diese Pflichtteile reduziert. Das verschafft dem:der Erblasser:in mehr Freiheit. Neu haben die Nachkommen und der:die überlebende Ehegatt:in nur noch einen Pflichtteil von je einem Zweitel, das heisst ein Anrecht auf je die Hälfte ihres gesetzlichen Erbrechts. Der bisherige Pflichtteilsanspruch der Eltern fällt gar gänzlich weg.

Neu gilt weiter ein generelles Schenkungsverbot für Personen, welche einen Erbvertrag abgeschlossen haben. Bisher durfte der:die Erblasser:in zu Lebzeiten mit seinem:ihrem Vermögen grundsätzlich tun, was er:sie wollte. Er:Sie durfte auch grössere Schenkungen an beliebige Personen ausrichten. Wer vor dem Jahr 2023 einen Erbvertrag abgeschlossen hat und weiterhin Schenkungen ausrichten will, sollte den Erbvertrag anpassen lassen. Immer noch möglich bleiben die üblichen Gelegenheitsgeschenke.

 

Es gibt also das Testament und den Erbvertrag. Was sind die Unterschiede? Und wozu rätst du unter welchen Lebensumständen?

Die letztwillige Verfügung (Testament) ist einseitig. Sie wird vom Erblasser/von der Erblasserin selbst erstellt und kann durch ihn:sie auch jederzeit geändert oder aufgehoben werden. In der letztwilligen Verfügung kann ich innerhalb der gesetzlichen Schranken frei über mein Erbe bestimmen. Wichtig ist, dass ich das Testament von Anfang bis Ende von Hand schreibe, es mit Ort und Datum versehe und unterzeichne. Sonst ist es nicht gültig. Ich kann mein Testament aber auch durch eine:n Notar:in veurkunden lassen.

Am Erbvertrag hingegen sind mehrere Personen beteiligt. Diese schliessen einen Vertrag ab. Der Erbvertrag muss bei einer Notarin/einem Notar beurkundet werden. Weil mehrere Personen mitwirken, habe ich beispielsweise die Möglichkeit, eine einheitliche Lösung gemeinsam mit meinem:meiner Ehegatt:in und meinen Nachkommen zu finden. Auf diese Weise können pflichtteilsberechtigte Erb:innen auch wirksam auf ihr Recht beim Versterben eines Elternteils verzichten, beispielweise um den:die überlebende:n Ehegatt:in nicht in finanzielle Not zu bringen. Um einen Erbvertrag aufzuheben, müssen alle beteiligten Personen gemeinsam Ihre schriftliche Zustimmung abgeben. Dies gibt mir eine grössere Sicherheit. Das Testament dagegen kann ich jederzeit selber ändern.

 

Thema Patchworkfamilie oder eingetragene Partnerschaft: Worauf müssen Menschen, die in dieser Form leben, beim Thema Testament oder Vorsorgen besonders achten?

Eingetragene Partner:innen sind erbrechtlich den Ehegatt:innen gleichgestellt. Bei der eingetragenen Partnerschaft gilt jedoch die Gütertrennung. Wer also seine:n eingetragene:n Partner:in gleich begünstigen will, wie eine:n Ehegatt:in, kann einen Vermögensvertrag abschliessen. Zudem kann die eingetragene Partnerschaft seit dem 1. Juli 2022 (Ehe für alle) auf einfache Weise in eine Ehe umgewandelt werden. Im Vorsorgeauftrag kann ich jede beliebige Person als Vertreter:in einsetzen. Da bestehen keine Unterschiede.

Besonders in einer Patchworkfamilie ist es wichtig, die Erbfolge genau zu regeln. Per Gesetz sind nur die eigenen Nachkommen und der:die Ehegatt:in oder der:die eingetragene Partner:in erbberechtigt. Es empfiehlt sich somit eine Gesamtlösung für die Patchworkfamilie zu vereinbaren, beispielweise durch einen Erbvertrag.

 

Ist es weise, sich durch eine:n Notar:in beraten zu lassen?

Auf jeden Fall. Notar:innen verfügen über das nötige Wissen. Sie können aufzeigen, was überhaupt möglich und wie das präzise umzusetzen ist. Eine klare und juristisch korrekte Formulierung meines letzten Willens gibt die Sicherheit, dass nach dem Versterben mein Wunsch respektiert und umgesetzt wird.

 

Und wenn ich mein Testament geschrieben habe, wo muss ich dieses hinterlegen?

Das Testament kann je nach Kanton bei einem:r Notar:in, der Gemeinde, dem Erbschaftsamt oder sonst einer Amtsstelle hinterlegt werden. Am besten informieren Sie sich bei einem Notariat oder Ihrer Gemeinde. Die zuständige Stelle kann zudem das Schweizerische Testamentenregister informieren, dass bei ihr ein Testament hinterlegt ist. So wird dieses im Erbfall dann auch gefunden. Ich empfehle zudem, das Umfeld ebenfalls zu informieren, wo sich ein Testament befindet, allenfalls bei einer Person des Vertrauens eine Kopie zu deponieren.

 

Was muss ich tun, wenn ich die SP Schweiz bei meinem letzten Willen berücksichtigen möchte?

Als Erblasser:in kann ich die SP Schweiz als Erbin zu einer gewissen Quote oder auch als Vermächtnisnehmerin einer bestimmten Summe (Legat) einsetzen. Das kann beispielsweise ganz einfach so lauten:

Vermächtnis:

Meine Erben haben folgendes Vermächtnis auszurichten:

An den Verein Sozialdemokratische Partei Schweiz (SP Schweiz), Theaterplatz 4, Postfach, 3001 Bern, einen Betrag von CHF 10’000.00 (zehntausend Schweizer Franken).»

 

In welchem Lebensalter sollte ich mich denn um «die letzten Dinge» kümmern?

Das ist einfach: In jedem Lebensalter. Auf jeden Fall ist es zu empfehlen sich um seine letzten Dinge zu kümmern, sobald eine Person engere Verbindungen eingeht, das heisst eine längere Partnerschaft, heiratet oder Kinder hat.

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