Die Schweiz steht im Vergleich zu den anderen 30 OECD Ländern bezüglich Umfang und Ausgestaltung von Elternzeit an drittletzter Stelle.
Nur einzelne Staaten der USA und Mexiko haben ein noch geringeres Angebot. Eine Elternzeit im eigentlichen Sinne gibt es eigentlich gar nicht. Auch wenn jeder zusätzliche Tag Vaterschaftsurlaub für die Familien ein Gewinn ist, so reichen weder einige Tage – auch nicht die vom Bundesrat abgelehnten moderaten Wochen zusätzlichen Vaterschaftsurlaub.
Es braucht einen Paradigmenwechsel: Es ist an der Zeit eine Elternzeit einzuführen.
Eine Elternzeit bringt positive Auswirkungen auf individueller, familiärer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene.
Unter Elternzeit wird eine zeitnah zur Geburt bezahlte Auszeit vom Erwerbsleben mit Jobgarantie verstanden. Die Eidgenössische Kommission für Familienfragen (EKFF) empfiehlt für die Schweiz zusätzlich zu den heute bereits bestehenden 14 Wochen Mutterschaftsurlaub 24 Wochen bezahlte Elternzeit einzuführen. Dabei bleiben die 14 Wochen Mutterschaft exklusiv für die Mutter reserviert. Weitere 8 Wochen kann nur der Vater beziehen. Die verbleibenden 16 Wochen können die Eltern frei unter sich aufteilen. Die Elternzeit kann zwischen der Geburt und der Einschulung bezogen werden, wenn gewünscht auch in Teilzeit. Ausnahme bilden die 14 Wochen Mutterschaftsurlaub, für welche die heutigen gesetzlichen Grundlagen eingehalten und die direkt nach der Geburt bezogen werden müssen.
Die Diskussionen auf Bundesebene lassen wenig Hoffnung, dass in absehbarer Zeit eine Elternzeit eingeführt werden kann. Denn bereits eine moderate Forderung wie der indirekte Gegenvorschlag aus dem Parlament zur Papi-Zeit-lnitiative wurde soeben vom Bundesrat zur Ablehnung empfohlen. Dies entgegen den offensichtlichen gesellschaftlichen Tendenzen und Bedürfnissen wie zahlreiche Umfragen zeigten. Da Bundesrat und Parlament am Volk und seinen Bedürfnissen vorbei politisieren, müssen progressive Kantone vorangehen und eine Elternzeit für die in ihrem Kanton wohnhaften Familien einführen. Damit setzen sie nicht nur ein familienpolitisches Zeichen, sondern sorgen für eine positive und nachhaltige Entwicklung des Kantons und erhöhen den Druck für eine nationale Lösung.
Eine Literaturanalyse der EKFF von rund 140 wissenschaftlichen Studien1 zeigt, wie wirkungsvoll die Einführung einer Elternzeit auf verschiedenen Ebenen ist:
Auf individueller Ebene stärkt die Elternzeit u.a. die psychische Gesundheit der Mütter, die physische Gesundheit der Kinder und die Väter-Kinder-Beziehung. Sie führt zu einer grösseren Beteiligung der Väter an der Haus- und Familienarbeit und somit auch zu einer egalitäreren Aufgabenteilung innerhalb der Familie. Auf wirtschaftlicher Ebene hat eine Elternzeit positive Auswirkungen auf die Wiederaufnahme einer Arbeit durch die Mutter, einen positiven Einfluss auf Produktivität, Umsatz und Arbeitsmoral in Unternehmen und führt zu geringeren Fluktuationen, gerade in KMUs. Der Kanton Basel-Stadt kann damit ganz konkret dem Fachkräftemangel entgegenwirken.
Zudem lassen sich die Ausgaben der öffentlichen Hand bereits bei einer geringen Erhöhung der Erwerbstätigkeit der Mütter dank höheren Steuererträgen kompensieren.
Elternzeit ist eine gesellschaftspolitische Investition mit positiver volkswirtschaftlicher und familienpolitischer Wirkung. Sie stärkt Familien und KMU und verbessert die Steuereinnahmen.
Um sich positiv zu entwickeln, muss der Kanton Basel-Stadt eine moderne Familienpolitik betreiben. Die Frage ist also nicht, ob sich der Kanton Basel-Stadt die Einführung einer Elternzeit leisten kann. Die Frage ist, ob er es sich leisten kann, dies nicht zu tun.
Die Motionärinnen beauftragen den Regierungsrat hiermit, auf kantonaler Ebene eine Elternzeit einzuführen. Für die Ausgestaltung dieser soll er sich am Modell der EKFF orientieren, könnte sich weiter aber auch am 2016 geforderten Baslermodell (siehe Anzug Wyss, Nr. 16.5178) orientieren.