Die Beurteilung der Welt–Klimakonferenz in Glasgow ist zwiespältig: Es wurde zwar ein Regel-
werk verabschiedet, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten und so die Erderwärmung auf
1,5 °C zu beschränken. Erneut konnte man sich aber nicht auf konkrete, schnelle und vor allem
verbindliche Massnahmen einigen.
Verglichen mit dem aktuellen globalen Temperaturanstieg von + 1 °C sind die Schweiz (+ 2 °C)
und der Kanton St.Gallen (+ 2,1 °C) besonders von der Klimakrise betroffen. Der Bericht der Re-
gierung zur ‹Strategie zur Anpassung an den Klimawandel im Kanton St.Gallen› ist erschreckend:
Bis ins Jahr 2060 ist je nach ‹Effektivität des Klimaschutzes (…) mit einem weiteren Anstieg der
mittleren Temperaturen um 0,7 bis 3,3 °C zu rechnen.›
Das von unserem Rat verabschiedete St.Galler Energiekonzept 2021–2030 will die ‹Energie–
strategie 2050 des Bundes umsetzen bzw. konkretisieren›. Das Stimmvolk stimmte dieser Stra–
tegie im Mai 2017 mit über 58 Prozent deutlich zu. Ein klares Ja unter anderem zu Netto–Null bis
ins Jahr 2050 und dem schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie. Ein AKW–Neubau ist weder
ökonomisch noch politisch realistisch. Die Verlängerung der Betriebsbewilligung der Alt–AKW
über 50 Jahre wäre sicherheitstechnisch verantwortungslos und weltweit einzigartig. Auch ist die
Lagerung atomarer Abfälle nach wie vor ungelöst. Mit seinen indirekten Beteiligungen trägt unser
Kanton Mitverantwortung für diese jahrzehntelange verfehlte Energiepolitik. Ein Ausstieg aus der
Atomenergie bis ins Jahr 2030 ist aus Gründen der Sicherheit wie der finanziellen Risiken dring-
lich.
Dem Kanton St.Gallen gehören 83,32 Prozent der SAK. Diese wiederum ist mit 12,5 Prozent an
der AXPO–Holding AG und damit an allen noch in Betrieb stehenden vier Schweizer AKWs betei-
ligt. Ein Verkauf dieser Beteiligungen und den damit verbundenen atomaren und wirtschaftlichen
Risiken ist unrealistisch. Wichtig zu wissen: Das vom Kanton St.Gallen investierte SAK–Aktien–
kapital von 200 Mio. Franken ist in Form von Dividenden schon mehrfach zurückgeflossen. Allein
in den Jahren 2006–2015 145,7 Mio. Franken sowie von 2016–2021 38,1 Mio. Franken – für das
Jahr 2022 sind fast 9 Mio. Franken budgetiert.
Der Bericht der Regierung zur ‹Strategie zur Anpassung an den Klimawandel im Kanton St.Gal-
len› hält fest, dass einerseits der Energiebedarf für Klimatisierung und Kühlung steigt, anderer-
seits die Wasserkraft–Produktion durch Hochwasser und Trockenheit sinkt. Der ‹Hitzeschutz im
Sommer ohne zusätzlichen Stromverbrauch› soll durch ‹schulen, unterstützen und informieren›
erreicht werden. Eine reichlich hilflos anmutende Strategie. Vorteil: Die Kosten liegen nahe null.
Eine erfolgreiche Energiewende sowie die Bewältigung der Klima– und Biodiversitätskrise ist eine
Verbundaufgabe: Global, national wie kantonal. Bei der Covid–19–Pandemie gelang es dank gros-
sem Einsatz der Wissenschaft und dem Zusammenspiel von Regierungen und Privatindustrie,
schnell wirksame Impfstoffe zu entwickeln.
Die Klimakrise ist in ihrer Bedrohung langfristig weitaus gefährlicher als die aktuelle Pandemie.
Unter Führung der Politik ist darum entschlossenes, gemeinsames Handeln notwendig. Bis ins
Jahr 2030 ist die Stromversorgung unseres Kantons komplett auf erneuerbar umzustellen.
Wie bereits auf globaler Ebene sind die zu erreichenden Klimaschutz–Ziele wissenschaftlich fun-
diert. Auch unser Staatswesen muss schnell in die Umsetzungsphase kommen. Dem Kantonsrat
sind von der Regierung substanzielle Massnahmen mit positiver Klimawirkung vorzulegen, die
über dem Niveau von Wunschdenken liegen. Finanzielle Pflästerchen wie im Klimabericht der
Regierung greifen zu kurz. Je länger wir warten, desto höher steigen die Kosten auch für unseren
Kanton.
Die Regierung wird eingeladen, dem Kantonsrat schnellstmöglich einen Bericht zur Umsetzung
der kantonalen Energiewende bis ins Jahr 2030 zu unterbreiten. Der Bericht soll insbesondere
den Weg zu einem kompletten Ausstieg aus der Atomenergie und einer sicheren Versorgung mit
erneuerbarer Energie aufzeigen. Der dafür notwendige finanzielle Aufwand ist abzuschätzen und
ein Kostenteiler vorzuschlagen, welcher sich an der finanziellen Leistungsfähigkeit von Kanton,
SAK, Energiewerken und Gemeinden orientiert. Zudem sind die erforderlichen Anpassungen an
der SAK–Eignerstrategie darzustellen. Es ist zu prüfen, wie sich mit der Umsetzung der kantona-
len Energiewende 2030 eine paritätische Arbeitsgruppe betrauen lässt, in welcher die Regierung,
die Gemeinden, die Wissenschaft und die Energiewirtschaft vertreten sind. Schliesslich ist aufzu-
zeigen, in welcher Form der Kantonsrat jährlich über den Stand der Umsetzung unterrichtet wer-
den kann.