Der Regierungsrat wird zwecks Verstärkung der kantonalen Velo–Offensive beauftragt,
1. längst festgestellte Schwachstellen und Netzlücken im Veloverkehrsnetz beschleunigt zu schliessen
2. die Planung und Einrichtung schneller Vorrangrouten in Zusammenarbeit mit den Regionen und
Gemeinden voranzutreiben
3. im Rahmen dieser Zusammenarbeit einen Zeitplan für die beschleunigte Realisierung dieser Velo-
bahnen vorzulegen
4. die nötigen Mittel, insbesondere für die erforderlichen Korridorstudien durch Priorisierung innerhalb
der verfügbaren Budgetmittel, bereitzustellen
5. die zuständige Fachstelle des kantonalen Tiefbauamts mit einem ausreichenden Personalbestand
auszustatten sowie
6. aufzuzeigen, mit welchen Anpassungen der Rechtsgrundlagen die Einrichtung von (auch temporären) Velobahnen erleichtert und beschleunigt werden könnte
Begründung: Der Grosse Rat hat am 19. März 2018 eine «kantonale Velo–Offensive» befürwortet und verschiedene
Forderungen der entsprechenden Motion 225–2017 gutgeheissen. Um die Sicherheit und Attraktivität der
Verkehrsverbindungen für Velofahrende zu erhöhen, insbesondere auch im Hinblick auf die zunehmende
Nutzung von E–Bikes, wurden insbesondere zwei zentrale Forderungen mit klaren Mehrheiten unter-
stützt: Schwachstellen und Netzlücken im Veloverkehrsnetz, wie sie im Sachplan Veloverkehr 2014 seit
Jahren aufgelistet sind, sollen forciert beseitigt werden (in Postulatsform angenommen). Und für den
schnellen (E–)Bike–Verkehr sollen auf geeigneten Pendlerstrecken über Gemeindegrenzen hinweg Vel o-
bahnen geschaffen werden (in Motionsform beschlossen).
Der Grosse Rat hat die Forderungen nach einer kantonalen Velo–Offensive in grösserem Ausmass un-
terstützt, als die Kantonsregierung beantragt hatte. Er hat damit auch der positiven Haltung entsprochen, mit der die breite Bevölkerung für eine verstärkte Veloförderung eintritt. Ein halbes Jahr nach dem Grossratsentscheid hat denn auch das Berner Stimmvolk mit 72 Prozent Ja–Stimmen dem «Bundesbeschluss Velo» zugestimmt und damit ein Zeichen für bessere Velowege gesetzt. Ein Jahr danach hat das kantonale Tiefbauamt in einer Mitwirkung eine Anpassung des Sachpl ans Veloverkehr aus dem Jahr 2014 vorgeschlagen. Mit der «Anpassung 2019» sollten die Liste der Netzlücken aktualisiert und eine neue Kategorie von Velowegen im Sachplan Veloverkehr verankert werden: So genannte Vorrangrouten sollen künftig als «höchste Netzebene des Veloverkehrs» wichtige Ziele im Alltagsverkehr attraktiv, sicher und schnell miteinander verbinden. Ziel dieser Vorrangrouten ist laut Mitwirkungsunterlagen, «das sehr grosse Potenzial für den Veloverkehr künftig mit besonders attraktiven Verbindungen abzuschöpfen. Damit wird auch der zunehmenden Zahl von E–Bikes Rechnung getragen, die schneller und weiter unterwegs sind».
Aufgrund des Potenzials sind Korridore bezeichnet worden, in denen Vorrangrouten angelegt werden
sollten. Die Machbarkeit und die genaue Linienführung ist in Korridorstudien noch detailliert zu prüfen.
Nach grossmehrheitlich positivem Echo aus der Mitwirkung hat der Regierungsrat die Anpassungen am
Sachplan Veloverkehr am 27. Mai 2020 beschlossen. Die auf der kantonalen Website der Regierungs-
ratsbeschlüsse aufgeschalteten Unterlagen lassen allerdings den Eindruck aufkommen, dass der Regie-
rungsrat die Rolle des Kantons bei der Umsetzung der zentralen Neuerung abgeschwächt hat. So hatte
der Entwurf für das Mitberichtsverfahren noch vorgesehen, dass der Kanton «die nötigen Massnahmen
für die Realisierung von Vorrangrouten» in Zusammenarbeit mit den betroffenen Regionen und Gemeinden «plant». Gemäss der vom Regierungsrat beschlossenen Fassung plant der Kanton die Vorrangrouten nicht mehr, sondern er «prüft» bloss noch «die Machbarkeit von Vorrangrouten in Zusammenarbeit mit den betroffenen Regionen und Gemeinden». Diese sind zurzeit daran, ihre Vorstellungen punkto Velorouten in erneuerten Gesamtverkehrs – und Siedlungskonzepten (RGSK) und zugehörigen Agglomerationsprogrammen festzulegen.
In den Entwürfen, die beispielsweise in der Region Bern–Mittelland das öffentliche Mitwirkungsverfahren durchlaufen haben, sind zwar viele Velohauptrouten vorgesehen – es werden jedoch viele Jahre vergehen, bis diese Vorrangrouten realisiert oder auch nur fertig geplant sein werden. Für die wichtige Velo–Pendelverbindung von Bern via Rubigen nach Münsingen zum Beispiel ist bis 2027 erst mal eine Studie angekündigt. Dabei sollte die sich bald bietende Gelegenheit des Gleisausbaus zwischen Gümligen und Allmendingen genutzt werden, um den kostengünstigen Bau eines Velowegs im Zusammenhang mit
diesem Bahnprojekt früher zu realisieren. Während des Lockdowns infolge der Coronavirus–Pandemie hat sich gezeigt, wie gross das Potenzial des Veloverkehrs ist: Gemäss einer ETH–Studie hat die Nutzung des Velos kräftig zugelegt – und die per Velo zurückgelegten Strecken haben sich fast verdreifacht. Aufgrund des Velo–Booms sind in etlichen Städten im Ausland und in der Schweiz (so etwa in Berlin, Paris, Mailand, Budapest und Genf) Fahrspuren zumindest temporär für den Veloverkehr reserviert worden (so genannte Pop –up–Bike–Lanes). Im Vortrag zu den Anpassungen des Sachplans Veloverkehr hat die Bau– und Verkehrsdirektion auch unter Corona-Umständen festgehalten: «Die Verlagerung vom motorisierten Verkehrsmittel auf das umweltfreundliche Velo entspricht der 3-V-Strategie «Vermeiden-Verlagern-Verträglich gestalten» der kantonalen Gesamtverkehrsstrategie. Zudem dient es der Gesundheit, wenn die Leute sich radelnd fit halten».
Es ist deshalb auch aufgrund der Corona-Erfahrungen an der Zeit, der kantonalen Velo-Offensive neuen
Schub zu geben. Um das dank E-Bikes gewachsene Potenzial des Veloverkehrs auszuschöpfen und die
angestrebte Verlagerung zu erreichen, sind die Einrichtung von Vorrangrouten für den Veloverkehr zu
beschleunigen und das Schliessen von Netzlücken voranzutreiben. Weil es um bessere Veloverbindu n-
gen über Gemeinde- und zum Teil auch Regionsgrenzen hinweggeht und einheitliche Standards einge-
halten werden sollten, kommt dem Kanton eine entscheidende Rolle zu: Er sollte die Regionen und G e-
meinden im Hinblick auf die nötigen Korridorstudien, die anschliessende Projektierung und Realisierung zu einem raschen Vorgehen motivieren sowie beratend und finanziell unterstützen.
Die Fachstelle Langsamverkehr (eigentlich ein irreführender Begriff angesichts der schnellen Velo – und
E-Bike-Verbindungen, französisch passender mit «sanfter Mobilität» bezeichnet) ist dazu mit dem nöt i-
gen Personalbestand auszustatten. Und für die Korridorstudien, Projektierungs- und Ausführungsarbei-
ten, für die erhebliche Bundesbeiträge aus den Agglomerationsprogrammen abgerufen werden können,
sind rechtzeitig finanzielle Mittel des Kantons bereitzustellen. Die nötigen Gelder sollten durch Priorisie-
rung der auch dem Klimaschutz dienenden Velomassnahmen innerhalb der verfügbaren Budget- und
Investitionskredite des kantonalen Tiefbauamts mobilisiert werden können. Dies ganz im Sinne der «Er-
klärung zur Klimapolitik» vom 4. Juni 2019. Darin hat der Grosse Rat seinen Willen bekundet, «das in
seinem Einflussbereich Mögliche zu tun, um dem Klimawandel entgegenzutreten» und «mögliche Mass-
nahmen prioritär» zu behandeln.