Der Regierungsrat wird aufgefordert, dem Kantonsrat eine Vorlage zu unterbreiten, auf deren
Grundlage zwei Krisenzentren für Opfer sexueller Gewalt an zentraler Stelle (vorzugsweise
am USZ und am KSW) geschaffen werden. Opfer sexueller Gewalt sollen in den Krisenzen-
tren umfassende medizinische und psychologische Erstbetreuung und Unterstützung erhal-
ten. In den Krisenzentren wird ebenfalls eine rechtsmedizinische Dokumentation und Spu-
rensicherung ohne Verpflichtung zur Anzeige gewährleistet. Es soll auch geprüft werden, in-
wiefern die Krisenzentren auch Opfern häuslicher Gewalt zur Verfügung stehen können.
Begründung:
Gemäss Art. 25 der Istanbul–Konvention sind die Vertragsparteien verpflichtet, die Einrich-
tung von Krisenzentren für Opfer von Vergewaltigung und sexueller Gewalt in ausreichender
Zahl zu ermöglichen. Den Opfern soll Zugang zu (gerichts–)medizinischen Untersuchungen,
Traumahilfe und Beratung geboten werden. Solche Zentren gibt es im Kanton Zürich nicht.
Die Leistungen werden von verschiedenen Institutionen an verschiedenen Standorten er-
bracht.
Opfer von sexueller Gewalt brauchen eine spezialisierte, qualifizierte und jederzeit verfüg-
bare Stelle, an welche sie sich unmittelbar nach dem Übergriff hinwenden können. In einem
solchen interdisziplinären Krisenzentrum soll medizinische Nothilfe und Erstversorgung, qua-
lifizierte Spurensicherung und Begleitung durch eine Fachperson (forensic nurse) angeboten
werden.
Die bisherige Praxis im Kanton Zürich reicht nicht aus. Meist stehen die Opfer unmittelbar
nach der Tat unter Schock. Sie können sich in diesem Stadium oft noch nicht entscheiden,
ob sie ein Strafverfahren wollen oder nicht. Es ist deshalb wichtig, dass die Spuren gesichert
und dokumentiert werden, falls das Opfer zu einem späteren Zeitpunkt Strafanzeige erstat-
ten will. Auch ist es wichtig, dass das Opfer von einer Fachperson über seine Rechte und
Pflichten in einem Strafverfahren informiert wird. Da die medizinische Erstversorgung aktuell
durch Notfallstationen von verschiedenen Spitälern, ambulante Hausarzt– oder Frauenarzt-
praxen vorgenommen wird, sind die Opfer durch wenig koordinierte, unmittelbar nach der Tat
erfolgende Befragungen und Untersuchungen und durch nicht immer ausreichend qualifizier-
ten Personen oft Retraumatisierungen ausgesetzt und die Beweissicherung ist nicht immer
sichergestellt. Oft verzichten Opfer sexueller Gewalt auf eine Anzeige, weil sie von negativen
Erfahrungen anderer Opfer erfahren haben. Wird das Opfer von einer Opferberaterin (bei
männlichen Opfern durch einen Opferberater) begleitet, ist zu erwarten, dass die Bereit-
schaft, Strafanzeige zu erstatten, erhöht wird. Ebenfalls darf davon ausgegangen werden,
dass Opfer weniger häufig wegen zu hoher Belastung den Strafantrag zurückzie-
hen, eine Desinteresseerklärung abgeben oder vom Aussageverweigerungsrecht Gebrauch
machen. Die Qualität der Beweissicherung dürfte sich erhöhen.
Die beiden kantonalen Krisenzentren sollen als Kompetenzzentren niederschwellig und rund
um die Uhr gut erreichbar sein. Daher bieten sich die beiden Standorte USZ in Zürich und
KSW in Winterthur an. Durch die Konzentration an zwei Orten wird gewährleistet, dass jeder-
zeit qualifiziertes und interdisziplinär geschultes Personal zur Verfügung steht und beste-
hende Ressourcen genutzt werden. Erstbehandlung, Untersuchung und Beweissicherung
sollen vor Ort erfolgen. Eine konsiliarische Spurensicherung durch das Institut für Rechtsme-
dizin (IRM) gewährleistet, dass die Beweise sicher aufbewahrt werden und das Opfer nicht
unmittelbar nach der Tat zu einer Anzeige gedrängt wird. Im Anschluss wird eine aktive Kon-
taktaufnahme durch spezialisierte Fachstellen (Opferberatungsstellen) sichergestellt, damit
das Opfer eine qualifizierte Beratung und Nachbetreuung erhält.