Der Einsatz moderner Technologien hat in der Polizeiarbeit Einzug gehalten. Unter dem Titel “Predictive Policing“
oder “Pre–Crime“ verbreiten sich weltweit Methoden und Programme, von denen man sich eine erhöhte
Kriminalitätsprävention verspricht. Predictive Policing (deutsch: vorhersagende Polizeiarbeit) bezeichnet dabei die Nutzung mathematischer und statistischer Wahrscheinlichkeitsanalysen, um kriminelle Risiken bereits im Vorfeld strafbarer Handlungen zu identifizieren. Dabei werden in der Regel grosse Datenmengen durchsucht (“Big Data” und “Data Mining“) oder auf der Grundlage bisher gesammelter Daten Prognosen gestellt. Diese Verfahren sind in der Regel automatisiert, d.h. sie gestalten sich nach den vorab definierten Algorithmen der Entwickler. Auch in unserem Kanton werden solche Instrumente eingesetzt oder ihr Einsatz geprüft. Die Fachdebatte zeigt auf, dass algorithmus–basierte Instrumente eine sehr hohe Erkennungsrate von Hochrisikofällen versprechen, gleichzeitig mit diesem Versprechen jedoch auch die Anzahl der Personen zunimmt, die als gefährlich bezeichnet werden, die es in Wirklichkeit jedoch gar nicht sind.
In der Praxis werden diese Instrumente bis anhin nur als ein Element benutzt – eine Einzelfallbeurteilung findet nach wie vor statt. Es ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass mit diesen Instrumenten eine vermeintliche Objektivität vorgegeben wird, obwohl die Grundlagen von Menschen – mit ihren Wertungen, Einschätzung und Interpretationen – geschaffen sind. Algorithmen neigen dazu, gesellschaftliche Vorurteile zu spiegeln. Zudem weisen Entscheide, die von einem Algorithmus getroffen werden, keine Begründung auf, was mit Blick auf das rechtliche Gehör problematisch ist. Der Druck, dass sich die Polizei auf diese Instrumente verlässt und entsprechende Massnahmen ergreift, nimmt zu, möchte doch keine verantwortliche Person, trotz Einzelfallwertung, eine Person als ungefährlich deklarieren, die von einem Vorhersage–lnstrument anders beurteilt
wurde.
Predictive Policing kommt zu einem Zeitpunkt zum Einsatz, in dem noch keine Straftat geschehen ist und deshalb die Unschuldsvermutung zu gelten hat. Es gilt hier Bürgerinnen und Bürger vor potenziell ungerechtfertigten Eingriffen in ihre Freiheitsrechte zu schützen. Der technologische Fortschritt muss mit Gesetzesvorgaben begleitet werden, welche die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit angemessen wahrt. Der Gesetzgeber muss entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen mit Predictive Policing einhergehende Grundrechtseingriffe, z.B. aufgrund der Bearbeitung hochsensibler Daten, erfolgen sollen. Ebenso muss geklärt werden, wie viel Vertrauen in die – oftmals nicht angemessen evaluierten – algorithmischen Tools gesetzt werden darf.
Die Polizeiarbeit soll sich dem technologischen Fortschritt nicht verschliessen. Dieser muss jedoch vorsichtig, reflektiert und auf einer soliden rechtlichen Grundlage geschehen. Diese fehlt in unserem Kanton bisher. Auch das Informations– und Datenschutzgesetz regelt den Einsatz dieser neuen Instrumente noch nicht.
Die Motionärinnen und Motionäre fordern deshalb vom Regierungsrat innerhalb zwei Jahren eine gesetzliche Grundlage zu schaffen,
a. die systematische und automatisierte Bearbeitung von Personendaten, Persönlichkeitsprofilen sowie
Profiling zum Zweck der Prävention und Vorhersage von Straftaten sowie zur Einschätzung der
Gefährlichkeit von Personen klar regelt.
b. Die Anschaffung dieser algorithmus–basierten Software zur Datenbearbeitung regelt.
c. einen jährlichen Bericht verlangt, welche über den Einsatz dieser algorithmus–basierten Instrumente und deren Evaluation an geeigneter Stelle Rechenschaft ablegt.