Der Regierungsrat wird beauftragt,
1. bei Bedarf in Zusammenarbeit mit einer geeigneten Forschungsinstitution einen Bericht zu erarbeiten,
der die Ungleichheiten im kantonalen Gesundheitssystem näher untersucht
2. in diesem Bericht konkrete Vorschläge zur Reduktion des ungleichen Zugangs zum Gesundheitswe-
sen zu machen
3. dafür zu sorgen, dass der Abbau dieser Ungleichheiten im Gesundheitsbereich in der kantonalen Ge-
sundheitsstrategie 2020-2030 berücksichtigt wird
Begründung:
Die Chancengleichheit im Gesundheitsbereich gehört zu den Hauptzielen der Gesundheitspolitik. Eine
zusammen mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) durchgeführte Studie hat Beunruhigendes über unser Gesundheitssystem an den Tag gebracht: Personen mit einem tieferen sozioökonomischen Status
wurden weniger oft auf COVID-19 getestet, bei ihnen fällt die Positivitätsrate aber höher aus.1 Sie werden auch öfter hospitalisiert, und die Sterberate liegt ebenfalls höher als bei Personen mit einem höherem sozioökonomischen Status. Die Analyse, in der verschiedene wichtige Faktoren berücksichtigt wurden (Alter, Geschlecht, Kantone, Periode), hat gezeigt, dass die Auswirkungen signifikant sind.
Diese kommen auf verschiedenen Ebenen in allen Kantonen vor, auch im Kanton Bern, und zwar sowohl bei der ersten als auch bei der zweiten Welle.
Diese Ungleichheiten im Gesundheitsbereich hängen nicht mit der aktuellen Pandemie zusammen, sie
werden dadurch allerdings aufgedeckt. Diese Art von Ungleichheit kommt im Gesundheitsbereich und auf besonders frappante Weise in gewissen Ländern wie den USA oder Grossbritannien vor.2 Das Problem besteht darin, dass die Gesundheitsförderungsprogramme oft nicht die sozialen Schichten erreichen, die mit höheren Gesundheitsrisiken konfrontiert sind und die am meisten davon profitieren würden. Dieses Phänomen ist auch in der Schweiz bekannt. Ein vom BAG 2020 veröffentlichter Bericht beschreibt die Handlungsnotwendigkeit: «Ungleiche gesundheitliche Chancen widersprechen dem Selbstverständnis und den staatlichen Grundprinzipien der Schweiz, sie gefährden die soziale Kohäsi on und sie führen zu unnötigen Mehrkosten. Gesundheitliche Ungerechtigkeit dürfte in der Schweiz pro Jahr ungefähr 16 Milliarden Franken an Gesundheitskosten und einen gesamthaften volkswirtschaftlichen Schaden von über 60 Milliarden Franken verursachen.»3. Diese Kosten entstehen namentlich durch eine spätere Patientenaufnahme, durch medizinische Bedingungen, die man hätte verhindern können, sowie durch eine daraus resultierende Produktivitätseinbusse. Auch die Prävention spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle.
Besonders besorgniserregend ist das Vorhandensein dieser Ungleichheit im Zusammenhang mit COVID-19 in der Schweiz und in den Kantonen, und zwar trotz der Bemühungen, den Zugang zu Informationen, Tests und Versorgung im Zusammenhang mit der COVID-Pandemie breit zu gestalten. Es zeigt, dass unser Gesundheitssystem, selbst wenn besondere Anstrengungen unternommen werden, einen bestimmten Teil der Bevölkerung oder bestimmte Regionen je nach sozioökonomischem Status weniger gut versorgt. Der BAG-Bericht zeigt, wie wichtig die Überwachung gesundheitlicher Ungleichheiten und die Evaluation von Massnahmen und Fortschritten sind. Der letzte Bericht zu diesem Thema im Kanton Bern liegt mehr als 10 Jahre zurück. 4 In Anbetracht der Entwicklung der Situation und der durch die Pandemie hervorgehobenen Elemente besteht Handlungsbedarf auf kantonaler Ebene. Die aktuelle Situation muss evaluiert und es müssen konkrete Massahmen zur Verbesserung der Prävention, der Information und der Versorgung von benachteiligten Gruppen identifiziert werden. Die Erhöhung der gesundheitlichen Chancengleichheit muss auch ein integraler Bestandteil der kantonalen Gesundheitsstrategie 2020-2030 sein.