Wer einen Konflikt mit der Vermieterin oder dem Arbeitgeber hat, hat diverse Möglichkeiten, güns-
tig oder unentgeltlich Rechtsberatung und Prozessbegleitung auf einer Beratungsstelle oder bei
Gewerkschaften einzuholen. Für Armutsbetroffene ist es aber schwieriger, unabhängige (Rechts-)
Auskünfte zu bekommen. Für Menschen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, ist es besonders
schwierig, zu ihrem Recht zu kommen. Zwar anerkennen Artikel 29 und 29a Bundesverfassung
(BV) für alle Bürger/innen allgemeinen Verfahrens- und Rechtsweggarantien. Beschwerden im
sozialhilferechtlichen Verfahren werden geringe formale Anforderungen zugeschrieben, weshalb
der Antrag auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand in der Regel abgelehnt wird. Diese Praxis
verkennt, dass Menschen, die Sozialhilfe beantragen, oft einen Schicksalsschlag erlitten haben,
ihre Problemlage in der Regel nicht nur finanzieller Art, sondern oft sehr viel komplexer ist. Zudem
verfügen viel Personen in der Sozialhilfe nicht über die für ein Gerichtsverfahren notwendigen Res-
sourcen. Gerade diese Personen sind auf eine unabhängige und unentgeltliche Rechtsberatung
und Prozessbegleitung besonders angewiesen.
In der Stadt Bern haben heute Armutsbetroffene die folgenden Möglichkeiten, zu ihrem Recht zu
kommen: Bei einem Konflikt mit dem Sozialdienst oder anderen städtischen Stellen können Ar-
mutsbetroffene die städtische Ombudsstelle aufsuchen. Diese Möglichkeit besteht jedoch lediglich
für Entscheidungen, für die die städtische Verwaltung zuständig ist. Die Ombudsstelle kann vermit-
teln und bei Bedarf dafür sorgen, dass behördliche Fristen erstreckt werden. Wenn jedoch bereits
Verfügungen erlassen worden sind, müssen die Betroffenen Beschwerden selber formulieren.
In Bern bietet einzig die «Rechtsberatungsstelle für Menschen in Not» und neu die «Actio Bern»
Armutsbetroffenen und Sozialhilfeempfängerlnnen Beratungsangebote an. Die Rechtsberatungs-
stelle für Menschen in Not wird von den Berner Landeskirchen und Hilfswerken getragen. Sie ist
allerdings stark überlastet und vor allem auf Asylrecht spezialisiert. Die Actio Bern ist erst im Auf-
bau und die Finanzierung dieser Institution ist noch nicht gesichert, so dass im Moment unklar ist,
welche Beratungskapazitäten sie effektiv erbringen kann.
Der Rechtsschutz für Armutsbetroffene und Sozialhilfempfängerlnnen in der Stadt Bern ist also
lückenhaft. Es braucht eine unabhängige und mit genügend Kapazitäten ausgestattete Rechtsbe-
ratungsstelle, die die Interessen der armutsbetroffenen Menschen in Bern vertritt, ihnen kostenlo-
sen Zugang zu rechtlicher Beratung, Begleitung und gegebenenfalls Prozessvertretung gewährt.
Der Gemeinderat wird deshalb beauftragt
1. Ein Konzept für die Rechtshilfe für Armutsbetroffene zu erarbeiten.
2. Mit einem Leistungsvertrag mit einer unabhängigen und unentgeltlichen Rechtsberatungsstelle
oder anderen geeigneten Massnahmen eine umfassende Rechtshilfe für Armutsbetroffene zu
garantieren.
3. Die ergriffenen Massnahmen zu evaluieren.